Wirtin Maria Fuchs und Pizzaiolo Mario Siani schießen 1a-Pizzen aus dem Feuerofen.

Foto: Gerhard Wasserbauer
Foto: Gerhard Wasserbauer
Kommt so eine frischg'fangte Möchtegern-Gastronomin mit ruppigem Umgangston daher, baut eine popelige Uralt-Pizzeria in der Wiener Leopoldstadt auf süditalienisch um (Neonlicht, Horrorfliesen, nackte Wände, ...), organisiert einen Teigschleuderer aus Neapel und ein paar Grundzutaten von ebenda - und glaubt, sie kann damit alles in Grund und Boden backen, was die Hauptstadt bisher an Teigfladen zu bieten hatte? Eigentlich: ja.

Die Pizza bei "Pizza Mari'" schmeckt jetzt schon um Eckhäuser besser, als man das bislang in Wien erwarten durfte - dabei hat die Bude gerade erst zwei Wochen offen und kämpft augenscheinlich mit Startschwierigkeiten. Aber Pizzaiolo Mario Siani schmiert halt die mit Abstand beste Tomatensauce auf die Teigfladen, die man sich nur vorstellen kann.

Schmelz, Kremigkeit und Säure

Dass diese aus nichts weiter als pürierten Dosentomaten besteht, ist ein italienisches Wunder, das man, wieder einmal, bloß demütig anerkennen kann: Die Herkunft und die Sorgfalt machen's. In diesem Fall sind es Tomaten der mit einer geschützten Ursprungsbezeichnung bedachten Sorte San Marzano, aus der Gegend um Nocera im kampanischen Sarno-Tal. Die gelten als mit Abstand beste Sugo-Tomaten der Welt, sind bei der neapolitanischen Pizza-Vereinigung als einzige zugelassen - und waren in Österreich bislang nicht zu haben. Ein Aroma von explosiver Frucht und erhabene Balance aus Schmelz, Kremigkeit und Säure charakterisieren diesen Inbegriff des Paradeisers, der auf den vulkanischen Böden des Vesuv gedeiht.

Maria Fuchs, die zuvor für die österreichische Mode-Plattform "Unit F" tätig war, wusste seit einem Studienaufenthalt in Neapel, dass sie irgendwann solche echte, wahre Pizze, die den Grundsätzen der "Associazione della Verace Pizza Napoletana" genügt, in Wien verkaufen wollte. Dass sie dafür erst einmal eine bestehende Holzofen-Pizzeria brauchte (neue Feuerstellen werden in Wien so gut wie gar nicht genehmigt) und alle wesentlichen Zutaten auf eigene Faust aus Neapel importieren müsse - namentlich Mehl, Mozzarella und Tomatendosen -, wurde ihr freilich erst nach und nach klar. Sobald die Logistik sich eingespielt hat, sollen dafür auch andere davon profitieren: Jetzt schon kann man das extrafeine "Tipo 00"-Mehl, das für die Elastizität des dünnen Teiges mit der blasenwerfenden Kruste verantwortlich ist, hier kaufen. Bufala-Mozzarella aus einer Kleinst-Käserei und San-Marzano-Dosen sollen folgen.

Pizza Mari' serviert einstweilen nur Pizza, ohne Fantasienamen hintendran. Sonst nix, nicht einmal Salat. Und wie in Neapel sind die Simplen die Besten. Bei Marinara und Margherita kommt die Power des Paradeisers, pur oder mit Mozzarella, ungebremst zur Geltung. Dabei sind die Toppings sehr gut, sogar bemerkenswert: Die exzellent fettschwartige Salsiccia etwa kommt von einem Fleischer aus Langenzersdorf, statt Prosciutto wird burgenländisches Hammerfleisch aufgelegt. Das funktioniert und hat Charme. Dazu gibt es Bier aus Schrems. Und nachher neapoletanischen Espresso von Passalaqua. Der gerät etwas lang, was auch die Wirtin bemerkt: "Oje. Na ja, egal." Dann weiß man: Wien bleibt Wien. (Severin Corti/Der Standard/rondo/09/05/2008)