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Beim Stirnöl-Aufguss fließt warmes Aromaöl über Stirn und Schlaefen, um entspannend auf das neurovegetative Nervensystem zu wirken

Foto: AP/Jens Meyer

Spätestens seit der Wellness-Bewegung wurde Ayurveda auch in Österreich zu einem Trend. Besonders die Ayurveda-Massagen und Stirnöl-Aufgüsse sind von der indischen Heilkunst bekannt. Das Konzept der Ayurveda soll jedoch mehr sein als nur Wohlfühl-Anwendungen und Wellness, beansprucht es doch für sich ein komplementärmedizinisches Heilverfahren zu sein.

"Ayus" heißt Leben und "Veda" heißt Wissen. Ayurveda ist die Wissenschaft des Lebens, ein Heilsystem in dem der Mensch ganzheitlich betrachtet wird. Im Ayurveda erklären die drei grundlegenden Organisationskräfte (Doshas) der Natur - Vata, Pitta und Kapha - die komplexen Wirkungen zwischen Körper und Geist, die für Gesundheit und Krankheit verantwortlich sind. "Gesundheit heißt, Körper, Geist und Seele in Einklang zu bringen", erklärt Sebastian Mathew, Ayurveda-Arzt und Chirurg am Elisabethinenkrankenhaus in Klagenfurt.

Prävention als wichtige Säule

Viele denken erst dann an Medizin, wenn sie bereits krank sind. Soweit soll es mit den Präventionsmaßnahmen des Ayurveda gar nicht erst kommen, denn Vorbeugung ist eine wichtige Säule der indischen Heilkunst. Dazu gehört die richtige Ernährung, regelmäßige Entschlackung und Reinigung des Körpers sowie Meditations- und Entspannungsübungen.
Neben den Vorbeugungsmaßnahmen kommt eine ayurvedische Behandlung vor allem bei chronischen und psychosomatischen Erkrankungen zum Einsatz.

Diagnose: Untersuchung von Augen und Zunge

Wie auch in der Schulmedizin, bestimmt die Diagnose die Behandlung der Patienten. Die Diagnose selbst unterscheidet sich aber stark von jener der westlichen: Nach der Anamnese bestimmt der Arzt ohne Hilfe medizinischer Geräte die Körperkonstitution des Patienten und analysiert, welches Störungsmuster vorliegt. Dies geschieht mittels Pulsdiagnose sowie der Untersuchung von Augen, Zunge, Hautfarbe, Stuhl, Harn und Haaren. Behandlungsziel ist das Aufrechterhalten des Gleichgewichts der Doshas oder - im Falle einer Krankheit - die Balance wieder herzustellen.

Behandlung: Giftstoffe ausleiten

Im Ayurveda werden Krankheiten hauptsächlich mittels Ernährungsumstellung und Entgiftung des Körpers vorgebeugt, aber auch behandelt. Massagen und Reinigungsprogramme sollen den Körper von Schlacken befreien. Ein bedeutsamer Therapieansatz ist die Panchakarma-Behandlung, mit der Toxine aus dem Organismus geschleust werden sollen. Giftstoffe sollen durch Massagen oder bestimmte Ernährung freigesetzt und mittels stoffwechselaktivierenden Maßnahmen Richtung Darm transportiert werden.

Durch verschiedene Ausleitverfahren (Einläufe, Abführmittel oder kontrolliertes Erbrechen) werden die Giftstoffe unter ärztlicher Anleitung aus dem Körper entfernt. "Wenn der Körper nie gereinigt und entschlackt wird, ist das die Hauptursache vieler Krankheiten", betont Mathew. Kritik, dass sich der Körper selbst von Giftstoffen reinige, ist dem Ayurveda-Arzt bekannt. Zwar entschlacke und reinige sich der Körper täglich durch die Ausscheidungssysteme, das reiche aber nicht aus. Zu stark werde der Organismus durch Stress, ungesunde Ernährung und vieles mehr belastet. "Ein Zimmer, das täglich gereinigt wird, ist zwar sauber, manchmal muss man aber eine ordentliche Reinigung machen - zum Beispiel einen Osterputz", erklärt Mathew bildlich.

Belegte Wirkung?

Zur Thematik Ayurveda werden seit Jahrzehnten, vor allem in Indien, wissenschaftliche Studien durchgeführt. Meist werden aber lediglich einzelne Elemente der ayurvedischen Therapiepalette - wie beispielsweise Heilpflanzen - herausgegriffen. Gerade bei einem ganzheitlichen System, wie dem ayurvedischen, ist dies aber problematisch, da sich eine Wirkung oft nur in der Kombination der einzelnen Behandlungen zeigt. Diese Studien sehen Ayurveda-Verfechter wie auch -Gegner daher problematisch und fordern ein Überdenken des Studiendesigns, in einer Weise, die auch einer evidenzbasierten Medizin Gerecht bleibt. "Ayurveda ist mehr als 5.000 Jahre alt und wird auf der ganzen Welt praktiziert. Wenn diese Heilkunst keine Wirkung zeigen würde, bestände sie nicht bis heute", ist Mathew überzeugt.

Ergänzung zur Schulmedizin

In bestimmten Bereichen stößt Ayurveda jedoch an seine Grenzen - etwa in der Akutmedizin. Das Verhältnis zwischen Schulmedizin und Ayurveda sieht Mathew, selbst Chirurg und Ayurveda-Arzt, nicht konkurrierend, sondern ergänzend. "Besonders im Bereich der Prävention weist die westliche Medizin Lücken auf. Im Ayurveda ist sie ein Schwerpunkt." Schulmediziner, die sich nie mit der indischen Heilkunst auseinandergesetzt hätten, ständen ihr aber allgemein mit einer leichten Abneigung gegenüber, so Mathew aus Erfahrung. "Mit dem Grad der Kenntnis steigt auch der Grad der Akzeptanz." Meist sind Patienten, die in Österreich außerhalb von Präventionsmaßnahmen mit Ayurveda in Berührung kommen, ohnehin bereits nach schulmedizinischen Kriterien diagnostiziert. Dadurch werden Risiken, etwa bei schwereren Erkrankungen, ausgeschlossen bzw. minimiert.

Ausbildung in Österreich

In Österreich ist genau geregelt, wer Ayurveda-Behandlungen ausüben darf. Die Ausbildung, so Mathew, werde auf drei Ebenen durchgeführt. Der Massage und Wellnessbereich ist für Menschen ohne medizinischen Kenntnisse offen und kann nach dreijähriger Ausbildung an gesunden Menschen ausgeübt werden. Im Besitz eines medizinischen Diploms ist es erlaubt nach zweieinhalbjähriger Ausbildung auch bei kranken Menschen Ayurveda-Anwendungen - unter ärztlicher Anleitung - durchführen. Ärzte erhalten nach einer zweijährigen Ausbildung das Diplom für Ayurveda. "Bisher haben 32 Ärzte in Österreich eine Ayurveda-Ausbildung gemacht", so Mathew. Von der Ärztekammer sei das Diplom für Ärzte noch nicht offiziell anerkannt, "aber auch bei der Akupunktur hat das acht bis zehn Jahre lang gedauert", erklärt der Ayurveda-Arzt zuversichtlich. (Ursula Schersch, derStandard.at, 16.07.09)