"Wir stellen uns in Opposition zur neuen Regierung und werden darauf achten, dass sie zum Wohl der Gesellschaft besser und effizienter arbeitet als die alte Regierung."

Foto: Unimedia

Der moldauische Journalist Dumitru Ciorici, Gründer der regierungskritischen Nachrichtenplattform Unimedia, kritisiert im Gespräch mit derStandard.at, dass die Wahl in Moldau trotz der Beteuerungen internationaler Beobachter keineswegs komplett frei und fair abgelaufen sei. Zwar sei die Gefahr einer kommunistischen Diktatur vorerst gebannt, am Ziel sei das völlig verarmte und von massiver Abwanderung betroffene Land zwischen der Ukraine und Rumänien aber noch lange nicht.

***

derStandard.at: Die Parlamentswahl im April wurde international als unfair und unfrei kritisiert, auch von Ihnen. Dem Wahlgang vom Mittwoch wird ein weit besseres Zeugnis ausgestellt. Warum dieser Wandel?

Dumitru Ciorici: Am Donnerstag hat die Koalition der moldauischen NGOs einen Report veröffentlicht, der eine völlig andere Sprache spricht. Die Wahl war nicht fair und nur zum Teil tatsächlich frei. Damit ist gemeint, dass etwa Leute versucht haben, Wahlurnen zu stehlen, ein Mitglied der Liberalen Partei wurde am Weg zum Wahllokal von einem Kommunisten angeschossen, viele Leute mussten erfahren, dass jemand in ihrem Namen gewählt hat. Ein Name etwa scheint 52 Mal in den Wählerlisten auf. Können Sie sich das vorstellen? Wir können also nicht von korrekten Wahlen sprechen, auch wenn sie vielleicht besser organisiert waren als die vergangenen.

derStandard.at: Aber die OSZE, laut deren Bericht die Wahl die demokratischen Standards erfüllt hat, ist doch eine anerkannte Institution.

Dumitru Ciorici: Die Menschen in unserem Land schätzen die OSZE überhaupt nicht. Die OSZE arbeitet nicht immer korrekt, etwa nach der letzten Wahl, als sie am Tag danach auf einer Pressekonferenz erklärt hat, dass alles frei und korrekt abgelaufen sei. Erst als man genauer nachgeforscht hat, musste die OSZE diese Einschätzung widerrufen. Wir verfolgen deshalb nicht mehr so genau, was die OSZE sagt.

derStandard.at: In unserem Gespräch nach dem letzten Wahlgang sagten Sie, Moldau stünde am Rande einer Diktatur. Ist diese Gefahr nach der Wahlniederlage der Kommunisten nun kleiner geworden?

Dumitru Ciorici: Diese Tendenz ist jetzt weniger stark, weil die Opposition mit einer europäischen Vision und demokratischen Werten die Wahl gewonnen hat. Die von ihr unterstützten Personen sind Spezialisten und kommen nicht aus der kommunistischen Ära. Nun kann die Opposition nach derzeitigem Stand die Regierung bilden, allerdings nicht den Präsidenten wählen. Genau darin liegt die Krux, wir haben die gleiche Situation wie vorher, nur dass es diesmal die Oppositionsparteien sind, die auf die Stimmen der Kommunisten angewiesen sind.

derStandard.at: Ist eine Lösung in Sicht, etwa ein Kompromiss?

Dumitru Ciorici: Viele Menschen in Moldau hoffen auf Marian Lupu, den Chef der Liberalen Partei. Er wäre aus meiner Sicht der geeignetste Präsident, wenngleich viele Menschen in Moldau kritisieren, dass er bis vor wenigen Wochen KP-Mitglied war. Meine Hoffnung ist, dass er sich zum demokratischen Projekt bekennt und Druck auf die Kommunisten ausübt, einen Kandidaten der Opposition zum Präsidenten zu wählen.

derStandard.at: Unimedia hat sich in der Vergangenheit offen für eine Liberalisierung und Öffnung Moldaus in Richtung Westen eingesetzt. Ist Ihre Mission nun erfüllt?

Dumitru Ciorici: Definitiv nicht. Wir als unabhängiges Medium haben bisher zwar die pro-europäischen, liberalen Kräfte unterstützt, das heißt aber keineswegs, dass wir jetzt, wo sie wahrscheinlich die Regierung stellen werden, ihren Kurs unkritisch mittragen. Wir stellen uns in Opposition zur neuen Regierung und werden darauf achten, dass sie zum Wohl der Gesellschaft besser und effizienter arbeitet als die alte Regierung.

derStandard.at: Gibt es Zahlen über das Wahlverhalten von Auslands-Moldauern?

Dumitru Ciorici: Inoffiziell leben und arbeiten eine Million Moldauer im Ausland. Das Problem ist, dass eine sehr hohe Zahl von ihnen nicht zur Wahl gehen konnte, weil in den meisten Ländern der moldauische Wahltag ein Arbeitstag war. Mehr als einige zehntausend Stimmen werden nicht zusammenkommen. Was ich weiß ist, dass zwanzig Prozent der Zugriffe auf unsere Website mit der Wahlberichterstattung aus dem Ausland kommen. (flon/derStandard.at, 31.7.2009)