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An Drachenschuppen gemahnt die typische Schindelbauweise.

Weitere Infos unter:
www.hirschenschwarzenberg.at
www.hotel-gams.at
www.bregenzerwald.at
www.angelika-kauffmann.com
www.werkraum.at

Wo an diesem Abend die Klezmermusik spielt, zeigt der Hausherr auch. Doch bevor Kabelrollen und Soundchecks auf das Musikprogramm des Hotel Hirschen verweisen, geht es noch schnell zur Suite Nr. 7 hinauf - in der sich Gäste mitunter steife Nacken holen. An den Betten und Pölstern liegt das freilich nicht. Aber am Blick Richtung Deckentäfelung. Zweihundert Jahre schlummerten katholische Heilige hier am Plafond. Sieben dicke Farbschichten deckten sie im Laufe der Zeit zu, und schließlich der Mantel des Vergessens. Erst als der Raum vor einigen Jahren restauriert worden war, tauchte das Gemälde wieder auf - und zieht nun die Aufmerksamkeit auf sich.

Um ein Haus für den zweiten Blick handelt es sich beim Gasthof Hirschen, dessen Geschichte bis aufs Jahr 1601 zurückdatiert werden kann, freilich auch so. Oder sagen wir lieber: um ein Haus mit reichem Innenleben. Günter Brus, einer der Stammgäste, schrieb dem Hirschen sogar eine Art Liebesgedicht, in dem vom wärmenden, aus Drachenschuppen gewachsenem Außenpanzer die Rede ist - und also von der Schindelbauweise der gesamten Region. Und wenn der heutige Pa-tron Franz Fetz von den Russlandreisen seines Urgroßvaters erzählt, um aus Nischnij Nowgorod Biberpelze für die Winterkopfbedeckung der Wälderinnen aufzutreiben, die Besten unter ihnen zum Gegenwert einer Kuh, dann sieht ihm Ururururgroßmutter Anna Metzler streng dabei zu - allerdings nur auf dem Porträtgemälde, das mit zum Inventar des Schwarzenberger Wälderhauses gehört. Wie eine Bäuerin sieht die Frau mit der "Bräma-Kappe" freilich nicht aus. "Wirtin von Welt" träfe es besser.

Sinn macht die kleine Zeitreise im vielleicht berühmtesten Gasthaus des Bregenzerwaldes allemal. Wohl auch um ein vertiefendes Gefühl für die durch Handel und vielfältige Außenkontakte geprägte Kulturlandschaft zu gewinnen. Mit Wirtshäusern, die von Schwarzenberg als Drehscheibe überregionaler Händlernetze erzählen und die Maria Theresia sogar mit der Befugnis der Reise -passausgabe ausgestattet hatte. Dass die Textilbarone aus dem Rheintal später die neuesten Moden in die Hirschen-Stuben brachten - auch das ist dem Haus anzumerken.

All das wäre freilich Schnee von gestern - würde diese weltoffene Prägung nicht permanent neue Früchte tragen. Spaziert man in Schwarzenberg einige Meter weit, tut sich diese Grätsche aus Tradition und Innovation wie von selbst auf. Da wäre natürlich die Duftspur des legendären Bergkäs, die wie von selbst zur Käslelädle-Maria führt, der ungekrönten Bregenzerwälder Käsekönigin. Und folgt man der steilen Straße zum Folklore-Museum hinauf, so lockt nach wenigen Metern das, in zeitgemäßem Stil adaptierte Museum der polyglotten Malerin Angelika Kaufmann, die der Heimatgemeinde ihres Vaters prächtige Kirchenfresken hinterließ.

Dass es sich keineswegs um das einzige Beispiel moderner Architektur handelt, hat sich längst herumgesprochen. Seit langem gilt der kleine, feine Vorarlberger Flecken als Vorzeigeregion in Sachen zeitgemäßer (Holz-)Bauweise. Die "HolzKultur"-Wanderung des Dorfes Hittisau, die zwischen Sägewerk, Zimmermann-Werkstätte und historischen Holzbrücken, aber auch zum Glaskubus des ersten und bislang einzigen Frauenmuseums Österreichs führt, fällt in diese Kategorie. Die offene Glasfront der alten, restaurierten Juppenwerkstatt in Riefensberg, sowie die glamourösen Schmuse-Suiten im Bezauer "Kuschelhotel Gams" wären weitere Optionen. Und in Andelsbuch wird dieses Jahr mit dem "werkraum bregenzerwald" - der Auftraggeber ist eine Kooperation regionaler Handwerker mit dem Fokus Produkt- und Design innovation - ein Gebäude des bekannten Schweizer Architekten Peter Zumthor eröffnet. (Robert Haidinger/DER STANDARD/Album/17.3.2012)