Seit zwei Jahren zieht Harald Walser, Bildungssprecher der Grünen, medial über Clemens Hellsberg her. Die Argumente sind immer die gleichen: Der Vorstand der Wiener Philharmoniker würde die NS-Vergangenheit geschönt darstellen, Fakten verschweigen, das Archiv nicht zugänglich machen, und überhaupt: Das Neujahrskonzert sei (wie der VW) eine Erfindung der Nationalsozialisten.

Andere hätten sich wahrscheinlich coachen lassen. Hellsberg aber ist nur fassungslos. Er geht nicht in die Offensive, er druckst herum. Das macht ihn verdächtig. Aber er ist ein ehrenwerter Mann (und das ist nicht zynisch gemeint): Hellsberg wurde vor einem halben Jahr von der Israelitischen Kultusgemeinde mit der Torberg Medaille ausgezeichnet - eben weil er sich "gegen das Wiedererstarken des nationalsozialistischen Ungeistes" einsetzt. Und Hellsberg versichert glaubwürdig, dass jedem, der ein ernsthaftes Forschungsprojekt verfolgt, das Archiv offenstehe.

Natürlich: Der Prototyp des Neujahrskonzerts fand als "Außerordentliches Konzert" am 31. Dezember 1939 statt. Dirigent war Clemens Krauss, ein Intimus von Reichsminister Joseph Goebbels. Aber eigentlich hätten die Nazis das Konzert verbieten müssen. Das trauten sie sich jedoch nicht. Sie verschleierten lieber die "nichtarische Abstammung" des Walzerkönigs Strauß. Das ist der Treppenwitz der Musikgeschichte - und nicht die Auszeichnung für Hellsberg, die Walser kürzlich wieder geifernd kritisierte. (Thomas Trenkler, DER STANDARD, 28.12.2012)