Hermann Junker (links) mit seinem engen Weggefährten Oswald Menghin, später Unterrichtsminister im "Anschlusskabinett", bei Grabungen in Merimde um 1930.

Foto: ÖAW, Oswald Menghin

Hermann Junker um 1912, als er für die Akademie der Wissenschaften Grabungen in Giza tätigte.

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"Eine amüsante Gestalt ist der Professor Junker, der seit Jahren in einem Weekend-Häuschen in der Wüste an den Pyramiden haust, denen er sich neuerdings mit Braunhemd und Wickelgamaschen präsentiert. Nach Kairo traut er sich allerdings nicht in diesem Fancy Dress", schrieb die deutschsprachige Exilzeitung Pariser Tageblatt am 8. Juli 1934. Die Rede ist hier von Hermann Junker, dem deutschen Ägyptologen, der von 1912 bis 1929 Grabungen für die Österreichische Akademie der Wissenschaften (ÖAW) in Giza durchführte, die in der derzeit laufenden Sonderausstellung Im Schatten der Pyramiden im Wiener Kunsthistorischen Museum (KHM) gewürdigt werden.

Hermann Junker bestückte nicht nur wesentlich die Ägyptisch-Orientalische Sammlung des KHM, er war auch die treibende Kraft bei der Gründung des Wiener Instituts der Ägyptologie und Afrikanistik im Jahr 1923 und die zentrale Figur der österreichischen Ägyptologie im 20. Jahrhundert schlechthin.

Und Junker war im Nationalsozialismus nicht das Opfer, zu dem er sich nach 1945 gern stilisierte, erklärt die Wiener Ägyptologin Julia Budka, die derzeit für ihr an der ÖAW angesiedeltes Projekt bei Ausgrabungen im Sudan tätig ist, im E-Mail-Interview. 2012 erhielt Budka sowohl den vom Wissenschaftsministerium und vom Wissenschaftsfonds FWF vergebenen START-Preis als auch einen Starting Grant des European Research Council (ERC).

Budka versucht gemeinsam mit ihrem Kollegen Claus Jurman die Verstrickung des deutschnationalen Katholiken und Priesters Junker mit dem NS-Regime und seine Teilhabe an antisemitischen und deutschnationalen Universitätsnetzwerken zu klären. Die Studie soll in einen Sammelband über Junker einfließen, den Clemens Gütl vom Institut für Afrikawissenschaften der Uni Wien herausgibt. Die unangenehmen Seiten würden "vor allem von seinen Schülern bis heute verschwiegen", sagt Gütl zum Standard.

Selbst wenn man die eingangs angeführte Passage aus dem Tageblatt "in gewisser Weise als tendenziös einstufen muss, zeigt sie doch, wie sehr Hermann Junker vielen Zeitgenossen als Repräsentant der Nazi-Nomenklatura galt", sagt Jurman. Ab 1929 war Junker Direktor des Deutschen Archäologischen Instituts in Kairo. 1933 trat er als deutscher Beamter freiwillig der NSDAP bei, die in Österreich noch verboten war.

Seiner Doppelstaatsbürgerschaft, dem Umstand, dass er zu dieser Zeit keinen offiziellen Wohnsitz in Österreich hatte, und der tatkräftigen Hilfe einflussreicher Kollegen wie Akademie-Vizechef Richard Meister war es zu verdanken, dass kein Schatten in Junkers Biografie zurückblieb.

Antisemitische Seilschaften

Junker stellte sich nach dem Krieg als Geschädigter dar. Gemäß seinen Angaben sei ihm nach dem Anschluss eine Honorarprofessur an der Uni Wien aberkannt worden. - Eine Behauptung, die durch kein amtliches Dokument belegt ist, schreiben Budka und Jurman. 1948 wurde ein Erneuerungsantrag genehmigt, wobei sich Junkers früherer Assistent Wilhelm Czermak, nach 1945 erster Dekan der philosophischen Fakultät, für ihn eingesetzt hat.

Meister und Czermak waren wie Junker selbst Mitglieder in verschiedenen deutschnationalen, antilinken und antisemitischen Verbänden, etwa der " Deutschen Gemeinschaft" und dem "Deutschen Klub". Alle drei waren sie auch Mitglied der "Bärenhöhle". Die Professoren-Geheimclique, benannt nach ihrem Treffpunkt in einem paläontologischen Seminarsaal, sorgte dafür, dass Lehrstühle an "Arier" und politisch rechts stehende Bewerber gingen. Die Vereinigung hintertrieb die Habilitation jüdischer und linker Wissenschafter.

Mit von der Partie war auch der Prähistoriker Oswald Menghin, der sich auch öffentlich, etwa in seinem Werk Geist und Blut, und in Vorträgen vor NSDAP-Ortsgruppen zur "wissenschaftlichen Grundlage der Judenfrage" äußerte. Er war zudem Unterrichtsminister des "Anschlusskabinetts" von Seyß-Inquart und damit ein Hauptverantwortlicher für die "Säuberung" der Universitäten von jüdischen Studierenden und Lehrenden.

Menghin war ein enger Weggefährte Junkers, Anfang der 1930-er-Jahre hatte er eine Professur in Kairo inne und war auch Mitausgräber Junkers in Merimde. Als Direktor des Deutschen Archäologischen Instituts in Kairo hat auch Junker selbst für die Gleichschaltung des Instituts im Sinne der NSDAP gesorgt, geht aus der im Junker-Band vertretenen Studie der Ägyptologin Susanne Voß hervor, die heute für das Institut in Kairo forscht.

Czermak hielt am 15. April 1945 in seinem Institut in der Frankgasse 1 in Wien jene Sitzung ab, mit der die Universität nach dem Krieg " wiedereröffnet" wurde, wie es noch heute auf einer Gedenktafel vor Ort heißt. Was die Tafel verschweigt: Das Institut für Ägyptologie übersiedelte erst nach Kriegsbeginn in die Frankgasse 1. Die Wohnung des Ehepaars Arnim und Rosemarie Horowitz musste zuerst noch frei werden - die Wiedereröffnung der Uni Wien fand also auf zumindest mittelbar " arisiertem" Institutsboden statt.

Ein großer Opportunist

"Mir ist es wichtig, klarzumachen, dass wir in keiner Weise versuchen, am wissenschaftlichen Verdienst Junkers zu kratzen", erklärt Budka. Er brachte der ideologischen Instrumentalisierung wissenschaftlicher Institutionen durch den nationalsozialistischen Staatsapparat keinen Widerstand entgegen. Direkte ideologische Einflüsse auf seine wissenschaftliche Arbeit seien aber ebenfalls kaum dingfest zu machen.

"Insgesamt denke ich, dass Junker ein großer Opportunist war und vieles tat, um einfach ungestört forschen und arbeiten zu können", sagt Budka. Vorauseilender Gehorsam gehörte dazu: "Junker kann nach heutigem Stand nicht als minderbelastet in der NS-Zeit gelten. Eigeninitiative spielte bei ihm eine nicht unbeträchtliche Rolle und muss entsprechend gewertet werden - er war weit mehr als nur einer der vielen ,Mitläufer'", resümieren die Ägyptologen. (Alois Pumhösel, DER STANDARD, 20.01.2013)