Foto: Gerhard Wasserbauer

Disco Volante in der Gumpendorfer Straße: Der Pizzaofen glitzert wie ein heiliger Schrein, die Adoranten sitzen auf Kirchenbänken aus den 1960er- Jahren.

Foto: Gerhard Wasserbauer

Als Maria Fuchs vor ein paar Jahren ihre Pizza Mari' in Wien-Leopoldstadt aufsperrte, wurde dem süditalienischen Teigfladen mit einem Mal eine ziemlich heiligenscheinmäßige Aura verpasst. Also zumindest für uns Wiener. Frau Fuchs hatte nämlich Zeit in Neapel verbracht, wo das Brot mit Rot sehr sorgfältig in die Holzöfen geschupft wird. Dafür wollte Fuchs nun auch in Wien sorgen, importierte spezielles Mehl ebenso wie spezielle Paradeiserdosen und die Teigschleuderer gleich dazu.

Die Pizzen sind wirklich gut, auch wenn die vorgebliche Originaltreue in mancher Hinsicht gar missionarisch anmutet. So dauerte es Monate, bis die Frau Chef bereit war, einen Fingerbreit vom Dogma der reinen Pizza abzuweichen, um ihren Kunden auch unheilige Extrawünsche, etwa gemischten Salat, zu erlauben.

Mit Folter gestraft

Wer sich allerdings "Olio piccante" zur Pizza wünschte, wurde mit Folter gestraft: Weil derlei von Flachbrot-Großinquisitoren angeblich nicht goutiert wird, ließ Fuchs justament Tabasco ins Öl mixen, um es so ins ungenießbar Essigsaure zu verunglimpfen - che schifo!

All das tat dem Erfolg aber keinen Abbruch, im Gegenteil, überall schossen plötzlich ähnliche Originalpizzerien aus dem Boden, mal mit mehr, mal mit nicht ganz so viel religiösem Furor im Gepäck - der Terminus von der pizzamäßigen Gegenreformation scheint jedenfalls nicht übertrieben.

Jetzt hat sich auch Maria Fuchs ein zweites Standbein zugelegt. Die Disco Volante ist an der Ecke Gumpendorfer Straße und Stumpergasse gelandet, exakt vis-à-vis der famosen Fleischerei Ringl, die auch als Lieferant für einen mildgeräucherten Rindskammschinken gewonnen wurde, welcher auf Pizza bianca (siehe Bild) mit Rucola gelegt wird.

Fegefeuer für Scharfesser

Die fällt leider gar trocken aus - besser, man hält sich an die klassisch rot-weißen Margherite mit diversem Belag oder, noch besser, an die luxuriös saftige Bufala mit nämlicher Mozzarella. Das vorgeblich scharfe Öl ist hier ein mild kratziges Olivenöl, aber halt völlig peperoncinofrei. Ist vielleicht als eine Art Fegefeuer für Scharfesser gedacht.

Mindestens so wichtig wie die Pizzaqualität ist Fuchs aber jene des Designs - und da ist ihr mit der Disco Volante echt etwas gelungen. Der Holzofen wie eine Discokugel mit Spiegeln verkleidet, die scharf gestylten Sitzbänke offenbar aus einer Kirche rangiert und via Caritas-Lager akquiriert.

Die bunten Uniformen der Servier-Madams haben Modeabsolventen der Angewandten gestaltet, die sich dabei offenbar von Mechaniker-Overalls inspirieren ließen. Macht irgendwie sogar Sinn: "Disco Volante" wurde unter Benzinbrüdern bisher mit einem legendär pomodororoten Alfa-Prototyp assoziiert. (Severin Corti, Rondo, DER STANDARD, 19.7.2013)