Rauleder, Eichenparkett: Eh alles da, die wirklich guten Sachen kommen im Markgraf aber aus der Küche.

Foto: Gerhard Wasserbauer

Gabelbissen mit Kren-Paradeisern, rohen Erbsenschoten und Räucherforelle.

Foto: Gerhard Wasserbauer

>>> zur Rondo-Coverstory

Foto: Irina Gavrich

Klosterneuburg ist schon ein eigenes Pflaster. Dass ein mit derart feisten Speckgurten an der Bundeshauptstadt festgezurrter Villenvorort so was von keine Lokalkultur entwickelt, gehört zu den ungelösten Rätseln der Gastro-Hermeneutik. Nicht einmal die Heurigen sind hier so, dass man über Gebühr verweilen wollte (außer natürlich, um sie sich schönzutrinken).

Dementsprechend elektrisierend schlug vor ein paar Monaten die Nachricht ein, dass ausgerechnet der Avantgarde-Vegetarier Tian hier eine Dependance eröffnen werde. Sollte nur leider nicht sein: Die Betriebsanlagengenehmigung war den lokalen Behörden dann doch zu wertvoll, um sie einem zugereisten Schnitzelverächter in den Rachen zu schieben. Das Projekt wurde abgeblasen, mit Jahresbeginn wird Tian sein Bistrokonzept deshalb anderswo verwirklichen - im Kunsthaus Wien.

Umso erfreulicher ist deshalb die Entwicklung, die aus einem Take-away-Asiaten am Kollersteig (fast schon in Weidling) vor knapp zwei Wochen das Markgraf-Wirtshaus von Florian Ortner und Thomas Schmidt werden ließ. Ortner kocht, Schmidt schupft den Service, kennengelernt haben sie sich bei der Arbeit im Weinzirl des Wiener Konzerthauses.

Von Grund auf renoviert

Das Lokal wurde von Grund auf renoviert, eine Vorarlberger Architektin verordnete Eichendielen und Raulederbestuhlung. Alles sehr komfortorientiert, nur das mit der abgehängten, indirekt beleuchteten Zwischendecke hätte eventuell nicht unbedingt sein müssen.

Dafür zeigt die Küche richtiges Profil, und zwar justament mit Speisen, bei denen Fleisch auch mal die zweite Geige spielt oder gleich gar nicht gebraucht wird.

Kräuterbrimsen mit knusprigen Kapern, Fenchelsalat und dem grandiosen Apfel-Balsamessig von Pecoraro aus Klosterneuburg etwa, eine zarte Melange, die gar kühlschrankkalt zu Tisch kommt und dennoch Lust auf mehr macht. Oder Schwarzwurzeln mit Berglinsen, Hüttenkäse und rosa Grapefruit, die einen bittersüßen Kontrapunkt zur Breite des Frischkäses setzen. Oder rote und gelbe Krenrüben, duftig mariniert, mit rahmigem Apfelsalat (Kronprinz Rudolf, danke!) und knuspriger Anishippe, die mit Matjeshering kombiniert werden.

Eicreme

Gabelbissen mit Kren-Paradeisern, rohen Erbsenschoten und Räucherforelle (siehe Bild) ist überhaupt der Bringer: So samtig, wie die Eicreme sich an den Rauchfisch schmiegt, so zart, wie der Aspik sich darüber legt, so knackig, wie die Erbsen dazwischen quietschen - herrlich. Bei den Hauptspeisen geht es nahtlos weiter: Ob köstlich bissfeste Kernöl-Kürbisravioli mit Maronispinat und brauner Butter oder Kohlrabipalatschinke mit Nusspesto, glacierten Birnen und Estragon: Hier wird mit Verve und Ideenreichtum gezeigt, dass gutes Essen echt kein Fleisch braucht.

Wobei: Das Alt-Wiener Backfleisch von der Beiried (rosa gebacken) ist schlicht perfekt, höchste Empfehlung. Auch nicht zu verachten: Bier aus Starkenberg in Tirol, Weinkarte mit etlichen kulant kalkulierten Raritäten - und Hausbrandt-Kaffee zu Mohnsoufflé mit Quitte. (Severin Corti, Rondo, DER STANDARD, 6.12.2013)