Großkariert ins neue Jahr: RONDO inszeniert das Staatsballett in Vivienne Westwood

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Foto: Maria Ziegelböck

Die Frau war einmal ein Punk. Heute stattet sie dagegen das Ballett des Neujahrskonzert aus. Gemeinsam mit ihrem Ehemann, dem Tiroler Andreas Kronthaler, wird Vivienne Westwood am 1. Jänner im Wiener Musikverein sitzen und den Klängen von Strauß Vater und Sohn lauschen - und nicht wirklich etwas dabei finden. Das Neujahrskonzert? "Das ist doch eine richtig schöne Tradition", sagt Kronthaler und erzählt von den beiden Kostümen, die es jetzt, einige Wochen vor dem Ereignis noch zu schneidern gelte. Beim Neujahrskonzert im Musikverein wird es diesmal einen Live-auftritt zweier Tänzer geben. Zum "Donauwalzer", wozu auch sonst?

Vom Franzl und der Sisi

Was die beiden Balletttänzer tragen werden, das will Kronthaler nicht sagen. Er zeigt auf ein Bild von Kaiser Franz Joseph, unter dem er in einem Hinterzimmer im Hotel Sacher gerade sitzt, und fängt an zu lachen. "So etwas in der Art", sagt er und erzählt dann vom Franzl und der Sisi, und warum die beiden so gut in sein und Viviennes Konzept passen würden.

Wobei: So wirklich viel habe die geschätzte Gattin zu den Kostümen nicht beigetragen. "Andreas, kümmer du dich darum", habe Vivienne zu ihrem 24 Jahre jüngeren Angetrauten gesagt, "ich selbst habe keine Zeit dafür." Frau Westwood kümmert sich dieser Tage nämlich wieder einmal um die Rettung der Welt beziehungsweise darum, dass es auf dieser nicht noch wärmer werde. Was die Tänzer des Staatsopernballetts tragen werden, darüber macht sich derweil ihr Ehemann und Designpartner ein paar Gedanken.

Nicht von ungefähr ist er dabei auf das Datum 1914 gestoßen. Die alten Walzerklänge trübten sich ein, eine Gesellschaft tanzte in den Untergang. "Ich weiß nicht, ob das die Zuseher bemerken werden, für mich war dieses Datum ein wichtiger Ausgangspunkt." Einfach nur hübsche Kostüme zu schneidern, das wäre Kronthaler zu wenig gewesen. Ein paar Hintergedanken dürfen schon sein. Schließlich tragen die Kostüme ja auch das Label "Vivienne Westwood". Seit ihren wilden Anfangsjahren, in denen sich Westwood mit ihrem damaligen Ehemann Malcolm McLaren als Bürgerschreck versuchte, ist einiges passiert.

Das Spiel mit der Tradition

Mit wissenschaftlicher Akribie setzte sich Westwood mit Kleidung auseinander, mit deren Geschichte und Bedeutungszusammenhängen. Aus einer Revoluzzerin wurde ein Bücherwurm und eine Modetheoretikerin. Die gesellschaftspolitischen Anliegen aber sind geblieben. Nur dass man sie mittlerweile lieber auf der Couch von Prinz Charles und Camilla diskutiert als auf der Straße. Mit Begriffen wie Establishment oder Anti-Establishment kann auch Kronthaler nicht viel anfangen. "Man muss wissen, woher bestimmte Traditionen kommen. Nur dann kann man auch mit ihnen spielen." Bevor man sich an die Kreation der Kostüme machte, stattete man deshalb zuerst einmal dem historischen Palais Liechtenstein, in dem die eingespielten Balletteinlagen später aufgezeichnet wurden, einen Besuch ab.

Kronthaler ergötzte sich an der barocken Herrlichkeit - und den vielen Putten in Gips. Aus der Assoziation "Kinder in Schottenkaro" entstanden die Kostüme für den zweiten Teil des Balletts.

Dazu muss man wissen, dass Westwood sich seit den 1980er-Jahren regelmäßig mit der Tradition des Schottenkaros auseinandersetzt. Ikonisch wurde die Anglomania-Kollektion im fernen Jahr 1993, bei der die kurzen Kilts mit Tüllröckchen eine Gehfalte entstehen lassen. Bei den Walzerkostümen griff man dagegen auf Kollektionen der vergangenen Jahre zurück, die neu interpretiert wurden. Für eine der Balletttänzerinnen wurde dagegen ein asymmetrisches Paradiesvogel-Kleid neu entworfen. Fehlte nur noch das Kostüm für die Live-Einlage. Womit wir bei Franzl und Sisi und dem Jahr 1914 wären.

Wie das zusammengeht? Da muss auch Andreas Kronthaler länger nachdenken. Man wird sehen, sagt der Tiroler Designer schließlich. Eine Antwort bleibt er schuldig. Vielleicht sollte er einfach noch seine Frau fragen. (Stephan Hilpold, Rondo, DER STANDARD, 20.12.2013)

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