Man wird Tomas Schweigen, dem nächsten Leiter des Wiener Schauspielhauses, die Vertrautheit mit seiner neuen Wirkungsstätte nicht absprechen. Als Schweigen 2008 im Haus in der Porzellangasse inszenierte, habe er, erzählt er, "auch in der Nähe gewohnt". Täglich sei er am Schauspielhaus "vorbeigegangen". Es gereicht Schweigen zur Ehre, vor Jahren als Stadtwolf durch das Unterholz des Alsergrundes geschlichen zu sein.

Weniger glücklich stimmt einen die Allgemeinheit, mit der Wiens Kulturpolitik Persönlichkeiten auskundschaften lässt, die für sie den Puls der Zeit fühlen sollen. Der Intendant, die Intendantin unserer Tage braucht nicht profiliert zu sein. Künstlerische Verhaltensauffälligkeit ist sogar abzulehnen. Gesucht werden Theaterverwalter ohne Eigenschaften. Als ein solcher steht man "für eine Vertiefung der Beziehung mit dem Publikum, setzt starke Impulse in Richtung Vermittlung".

Der Glaube an die Unverwechselbarkeit einer Begabung, die Befähigung, mit Kunst anzuecken: Eigenschaften aus der Mottenkiste. Mit dem Hinweis auf die Widersetzlichkeit des Theaters weckt man höchstens Erinnerungen an die Zeit vor der digitalen Moderne. Die Mittelbühnenstars unserer Tage dürfen alles machen. Es dreht sich lediglich darum, ob das, was sie tun, auch ausreichend "vernetzt" ist. So verkleidet sich das Neobiedermeier unserer Tage als Internationale der Harmlosigkeit. (Ronald Pohl, DER STANDARD, 3.7.2014)