STANDARD: Kommende Woche beginnen die ORF-"Sommergespräche", heuer geführt von Peter Resetarits, eher positioniert auf Bürgerforen und anwaltschaftlichen Journalismus denn Innenpolitik. 2013 verweigerten sich die Chefs von SPÖ und ÖVP noch der Nachwahl-Diskussionsrunde im ORF, wohl aus Grant über die vielen Wahlkonfrontationen. Parteichefs dürfte die Besetzung der "Sommergespräche" lieber sein als etwa ein Armin Wolf oder eine Gabi Waldner?

Blümel: Ich glaube nicht, dass der ORF den Politikern die Sache leichter machen will. Ich finde es spannend, neue Formate können Politik anders verständlich machen. Als Medienkonsument fand ich auch die "Wahlfahrt" von Hanno Settele gut.

STANDARD: 2013 forderte Ihr Vorgänger als VP-Mediensprecher noch Twitter-Regeln und -Beschränkungen für ORF-Journalisten. Wenn Sie jetzt eine Lockerung der Social-Media-Vorgaben für den ORF fordern, klingt das nach einer 90-Grad-Wende.

Blümel: Ich sehe das als Weiterentwicklung, soziale Medien werden immer relevanter. Die ÖVP bekennt sich zu einem dualen Rundfunksystem, mit einem starken öffentlich-rechtlichen Rundfunk.

STANDARD: Von der Peitsche zum Zuckerbrot?

Blümel: Mir geht es darum: Wie kann man es den verschiedenen Medien erleichtern, auf dem Markt zu agieren. Wenn der ORF mit öffentlichen Geldern finanziert wird, muss er andere Rahmenbedingungen haben als die Privaten, die sich vor allem aus Werbung finanzieren. Aber man muss es dem ORF nicht künstlich erschweren, ein modernes Unternehmen zu sein.

STANDARD: Sollte man die Finanzierung nicht sauberer trennen? Gebühren für den ORF, Werbung für die Privaten?

Blümel: Ich will nicht ständig mit Verboten hantieren. Vielleicht regelt sich das von selbst, wenn wir den öffentlich-rechtlichen Auftrag konkretisieren. Ich gehe davon aus, dass man es damit schafft, klarer zu trennen. Das Gesetz verlangt vom ORF Unterscheidbarkeit von Privaten. Da gibt es Verbesserungspotenzial. 83 Prozent Unterhaltung in ORF 1 sind nicht die geforderte Unterscheidbarkeit.

Bild nicht mehr verfügbar.

Foto: APA/GEORG HOCHMUTH

STANDARD: Sie sagen damit, der ORF verletzt das Gesetz.

Blümel: Die Medienbehörde KommAustria sieht das so. Der Bundeskommunikationssenat hat das ein wenig anders gesehen. Nun liegt der Fall bei den Höchstgerichten. Dass die Frage so lange anhängig ist, zeigt, dass es konkretere Regeln braucht. Zugunsten aller Beteiligten, auch des ORF - der seinen Rahmen dann klarer kennt.

STANDARD: Fixe Programmanteile für Genres lehnen Sie ab - wie wollen Sie den Auftrag konkreter fassen?

Blümel: Die Medienbehörde verlangt Ausgewogenheit in jedem Vollprogramm, der Senat über alle ORF-Programme ...

STANDARD: ... und wie würden Sie das festlegen?

Blümel: Aus meiner Sicht ganz klar: pro Programm. Eine Gesamtbewertung macht wenig Sinn - sonst hat der ORF im Extremfall einen reinen Infokanal und einen reinen Unterhaltungskanal mit US-Filmen und -Serien. Das würde dem öffentlich-rechtlichen Auftrag und der Intention des Gesetzgebers widersprechen.

STANDARD: Stichwort Programmquoten: Was halten Sie von Mindestanteilen für österreichische Musik im ORF-Radio und für österreichische Filme im Fernsehen?

Blümel: Mit Quoten habe ich generell ein Problem. Das erschwert es dem Management, ein Unternehmen sinnvoll zu führen. Wir haben den ORF nun per Gesetz verpflichtet, acht Millionen Euro jährlich in Kinofilme zu investieren. Das ist eine sinnvollere Art, österreichische Kultur und Identität zu fördern.

STANDARD: Wenn wir schon bei österreichischen Inhalten sind - biegen wir doch kurz in die Welt der Medienförderungen ab. Eine grundlegende Reform der Presseförderung ist seit Jahren Thema - stattdessen kürzt die Regierung die bestehende Förderung und streicht sie einer Zeitung mit einer neuen Hürde mitten im Vergabeprozess.

Blümel: Ich gehe davon aus, dass der Verfassungsdienst das geprüft hat und das juristisch in Ordnung ist. Die Budgetknappheit verlangt 500 Millionen Euro strukturelle Einsparungen der Ressorts. Der zuständige Minister hat auch dort gekürzt. Zu diesem Vorgehen stehen wir.

STANDARD: Die "Salzburger Volkszeitung" drohte mit rechtlichen Schritten dagegen.

Blümel: Der Rechtsweg ist jedem unbenommen.

Bild nicht mehr verfügbar.

Foto: APA/DRAGAN TATIC

STANDARD: Finanzminister und ÖVP-Chef Michael Spindelegger hat sich vorgenommen, Pflichtinserate für Unternehmen in der staatlichen "Wiener Zeitung" zu streichen. Ist das Thema nach zartem Protest schon wieder vom Tisch?

Blümel: Im Gegenteil - sie kosten Unternehmen bis zu 15 Millionen Euro im Jahr. Das ist Teil eines größeren Entbürokratisierungspakets für Unternehmen. Die Veröffentlichung würde auch online reichen.

STANDARD: Wenn der "Wiener Zeitung" bei Einnahmen von grob 20 Millionen Euro 15 Millionen wegfallen, bedeutet das wohl das Ende dieser Tageszeitung. Das nehmen Sie in Kauf?

Blümel: Das würden wir in Kauf nehmen. Wenn man für Entbürokratisierung ist, dann muss man das in der Konsequenz durchziehen.

STANDARD: Neben acht bis neun Millionen Euro Presseförderung gibt es 15 Millionen Euro für Privatsender. Während bei Print stets auch die Förderung von Onlinemedien ein Reformthema ist, kam das bei den TV- und Radiosendern bisher nicht aufs Tapet.

Blümel: Wenn man konsistent ist, macht es Sinn, das insgesamt zu fördern. Wie man nicht allein auf Print abstellen kann, wenn man die Presseförderung größer neu denkt.

STANDARD: Wie würden Sie denn Qualität definieren, auf die Sie stärker bei der Presseförderung abstellen wollen?

Blümel: Ein Teil der Presseförderung stellt auf den Vertrieb von Zeitungen und Wochentiteln ab. Durch einen stärker werdenden Onlinebereich hat sich das überholt. Eine Reform sollte sich an den Grundparametern Qualität und Vielfalt orientieren und weniger am Vertriebskanal. Die Politik kann und soll nicht vorgeben, was qualitativer Journalismus ist. Das muss man mit den Stakeholdern erarbeiten. Das ist eine mittel- bis längerfristige Diskussion.

STANDARD: Nach der Definition der EU sind auch die Rundfunkgebühren Förderungen. Deutschland und die Schweiz setzen nun auf Rundfunkabgaben für alle Haushalte - ohne auf die Form des Empfangs abzustellen. Können Sie sich eine generelle Abgabe für öffentlich-rechtlichen Rundfunk vorstellen?

Blümel: Ich bin gegen eine Haushaltsabgabe. Das ist wie eine Steuer, ob man nun Leistung konsumiert oder nicht. Den Zugang halte ich für nicht gerechtfertigt.

STANDARD: Spätestens 2017 muss sich der ORF wieder beim (voraussichtlich noch immer) politisch besetzten Stiftungsrat um eine Gebührenanpassung - sprich: Erhöhung - bemühen. Wäre es nicht einfacher, die Gebühren mit der Inflation quasi automatisch zu erhöhen?

Blümel: Ich bin gegen eine automatische Anpassung. Der ORF ist ausreichend finanziert, und es gibt noch eine Reihe von Synergien zu heben.

STANDARD: Muss man sich also darauf einstellen, dass die ÖVP 2016/17 gegen eine Gebührenerhöhung ist?

Blümel: Das wird man sich ansehen, wenn es so weit ist.

STANDARD: Sie haben vorige Woche ein kleines Medienpaket vorgestellt: Private Fernsehsender mit österreichischen Inhalten sollen auf den ersten Programmplätzen voreingestellt sein. Private Radios sollen einfacher kooperieren können. Der ORF soll in sozialen Medien weniger beschränkt agieren können. Und Suchmaschinen und andere kommerzielle Dienste sollen Zeitungen die Nutzung ihrer Inhalte abgelten müssen. Hat Sie überrascht, dass Medienminister Josef Ostermayer diese recht einfachen Punkte eher verhalten kommentiert hat?

Blümel: Es gibt ohnehin zu viel politische Konfrontation - da geht es um ein Sachthema. Die Politik ist da gefordert, Medien ihre Arbeit zu erleichtern. Ich fand die Reaktion sehr positiv.

STANDARD: Ostermayer hat bei der Gelegenheit auch wieder vorgeschlagen, Management und Aufsichtsrat des ORF neu zu regeln. Ihr Parteichef hat vor ein paar Jahren schon eine "gewaltige Reform" des ORF angekündigt. Nun schlägt Ostermayer öffentlich einen Vorstand statt eines ORF-Alleingeschäftsführers vor - das wünschte sich vor wenigen Monaten noch die ÖVP. Wird's diesmal was mit dem großen Umbau des ORF im Gesetz?

Blümel: Ich habe mich ein bisschen gewundert: Bundesminister Ostermayer und ich haben im Frühjahr eine Novelle des ORF-Gesetzes verhandelt, weil der ORF-Publikumsrat neu zu regeln war. Da war von der SPÖ nichts zu hören von einer Gremienreform. Da überrascht einen, wenn der Bundeskanzler wenige Wochen danach einen solchen Wunsch äußert. Aber okay: Wir sind über alles gesprächsbereit, was der Arbeit im öffentlich-rechtlichen Rundfunk guttut. Aber ständige Personaldiskussionen tun weder dem ORF noch der Politik gut. Also brauche ich zunächst ein schlüssiges Konzept, welche Maßnahmen sinnvoll sind und welche Verbesserungen sie bringen. Dann verschließen wir uns keiner Diskussion.

Bild nicht mehr verfügbar.

Foto: APA/HERBERT NEUBAUER

STANDARD: Sind solche Änderungen der ORF-Gremien in dieser Legislaturperiode realistisch?

Blümel: Ich würde das nicht ausschließen, die Legislaturperiode ist noch lang. Ich kenne noch keinen Vorschlag.

STANDARD: Die ÖVP brachte das Vorstandsmodell aber selbst vor nicht allzu langer Zeit aufs Tapet. Sie müssten also eigentlich sagen: Juhu, machen wir!

Blümel: Ich sehe keinen unmittelbaren Handlungsbedarf, wir verschließen uns der Diskussion nicht - nur einer über ungelegte Eier.

STANDARD: Die SPÖ verbindet ein solches Vorstandsmodell dem Vernehmen nach stets mit Personen - nämlich vor allem mit einem Vorstandsvorsitzenden oder -sprecher Helmut Brandstätter (der stets betont, er bleibe jedenfalls bis 2019 "Kurier"-Herausgeber).

Blümel: Genau das meine ich: Sobald man über Gremienreform spricht, geht es sofort um Personen. Das hilft dem Unternehmen nicht beim Arbeiten. Das macht den ORF nicht per se besser. Und es bringt die Politik in Verruf, sie wolle Einfluss nehmen. Also ist eine ständige Diskussion darüber nicht sinnvoll.

STANDARD: Das klingt aber nicht nach Nein zu einer solchen Besetzung.

Blümel: Mit diesem konkreten Vorschlag ist noch niemand an mich herangetreten.

STANDARD: Und würde jemand an Sie herantreten, was würden Sie sagen?

Blümel: Das überlege ich mir, wenn es so weit ist.

STANDARD: Mit dem multimedialen Newsroom im ORF steht eine Entscheidung über künftige Führungsstrukturen an. Wie organisiert man eine Informationsmannschaft für TV, Radio, Online, die gemeinsam arbeiten soll? Thema sind zwei medienübergreifende Direktoren - eine/r für Information, eine/r für Programm. Ein vernünftiges Modell?

Blümel: Prinzipiell ist der trimediale Newsroom eine Notwendigkeit - die verschiedenen Bereiche wachsen zusammen, es schafft Synergieeffekte. Wie die Struktur intern aufgesetzt wird, ist eine Managementaufgabe. Da sollte die Politik keine Vorgaben machen.

STANDARD: Aber Ihnen sträuben sich nicht die Haare bei dem Gedanken?

Blümel: Nicht per se. Aber: Das ist eine Managementaufgabe.

STANDARD: Medienminister Ostermayer verwies Ihre Forderung nach einer Abgeltung für Zeitungen, wenn Google und andere Onlinekonzerne deren Inhalte nutzen, auf die ohnehin laufenden Vorbereitungen im Justizministerium. Lässt sich das überhaupt national regeln?

Blümel: Am Ende des Tages muss es auf europäischer Ebene geregelt werden. Österreich ist doch ein sehr kleiner Markt - gerade was das World Wide Web betrifft. Aber wir sollten keinesfalls untätig auf eine europäische Regelung warten. Wenn Nationalstaaten das Thema angehen, erhöht das den Druck auf europäischer Ebene. So kann man das beschleunigen - und Strukturen schützen, die man vielleicht nicht wiederherstellen kann. (Harald Fidler, DER STANDARD, 06.08.2014)