Werner Bartens: "Wie Berührung hilft". Knaur 2014. 240 Seiten, € 13,40

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Zwischenmenschliches als relevanten Gesundheitsfaktor zu betrachten ist mit streng naturwissenschaftlichen Methoden nur schwer zu machen: zu viele Variable, zu wenig Messbares, zu viel Leben eben. Genau das scheint Werner Bartens, Wissenschaftsreakteur der Süddeutschen Zeitung, jedoch gereizt zu haben. Sein eben erschienenes Buch ist ein langer Essay über die Macht der Berührungen - von der Wiege bis zur Bahre sozusagen.

Bartens versteht es, das Thema nach allen Seiten hin auszuwälzen. Seine Grundthese: Die Menschen haben zu wenig Körperkontakt, die 70 Milliarden Euro, die die Wellness-Industrie jährlich in Deutschland umsetzt, sprächen für sich: Das allgemeine Berührungsmanko würde mit Massagen, Facials und Kuren aller Art kompensiert.

Mit feiner Ironie führt er sein Publikum dann in die Welt der boomenden Kuschelpartys, um dann aber gleich mit ganz Handfestem weiterzumachen. Wo sitzt der Tastsinn, wo kommt er im Gehirn an, wie werden die entsprechenden Hirnbotenstoffe (Dopamin) stimuliert und auf welche Art und Weise beeinflussen Streicheleinheiten die bei Stress aktiven Hormone. Bartens hat Studien zum Thema zusammengetragen und bereitet sie anekdotenhaft auf. Der Leser bekommt den Beweis, dass Zärtlichkeit blutdrucksenkend wirkt.

Manchmal artet die Lektüre dieses Buches in einen Selbsterfahrungstrip aus, etwa dann, wenn es um Berührungsarten und -vorlieben geht. Dass manche nur kräftige Umarmungen mögen, hat archaische Gründe: Zu sanfte Berührungen erinnern an Insekten!

Der Umgang mit Körperkontakt hat seine Wurzeln aber in der frühkindlichen Entwicklung, auf die Bartens ausführlich eingeht. Ein Kapitel weiter ist das Buch ein Beziehungsratgeber für "chronische Beziehung".

Aber auch medizinisch ist viel Wissenswertes zu Schmerzen zu finden, denn schließlich sollten auch Arztbesuche überaus berührungssensible Erlebnisse sein. (Karin Pollack, DER STANDARD, 9.9.2014)