Europas Politiker fürchten sich vor den Griechen. Es bestehe ein "großes Risiko", warnt der deutsche Exaußenminister Joschka Fischer vor dem Ausgang der Neuwahlen in Griechenland. Ein Schuldenschnitt, wie ihn die in Umfragen führende Syriza fordert, komme einem "Selbstmord" gleich, sagt der EU-Kommissar Pierre Moscovici. Dass man sich vor demokratischen Wahlen fürchtet, sagt eigentlich schon alles über den Zustand Europas.

Die Financial Times bringt es mit der Schlagzeile "Angst vor neuer Griechenlandkrise" auf den Punkt. Eine neue? Was ist denn mit der alten passiert? Die Arbeitslosenrate ist dort noch immer fast 20 Prozentpunkte höher als vor der Krise, die Wirtschaftsleistung niedriger als vor dem Eurobeitritt. Dass sich die Menschen von den Parteien abwenden, die den Karren in den Dreck gefahren haben, ist kein Risiko, sondern funktionierende Demokratie.

Ob Alexis Tsipras eine Mehrheit schafft, ist unklar. Wie er sich an einem Tisch mit Angela Merkel verhalten wird, ebenfalls. Eine gute Verhandlungsposition hat er ohnehin nicht. Dass Griechenland seine hohen Schulden nicht ganz zurückzahlen wird, ist aber kein Geheimnis. Ein Deal mit Tsipras könnte Investoren sogar freuen. Verzichten die EU-Länder, bei denen die Griechen den Großteil der Schuld abstottern, auf einen Teil ihres Geldes, könnte das die Aussichten des Landes deutlich verbessern. So oder so, jetzt sind erst einmal die griechischen Wähler an der Reihe. (Andreas Sator, DER STANDARD, 5.1.2015)