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Der Grund für den Rüffel des ORF-Ethikrats: ORF-Journalist Christian Wehrschütz war bei der ÖVP-Klubklausur in der Steiermark als Experte geladen. Hier steht er (links) an der Seite von EU-Kommissar Johannes Hahn, EU-Parlamentarierin Elisabeth Köstinger, Klubobmann Reinhold Lopatka und Außenminister Sebastian Kurz.

Foto: APA/ÖVP-Klub

Wien - Wie berichtet ist der ORF-Ethikrat nach dem Auftritt von ORF-Auslandskorrespondent Christian Wehrschütz bei einer ÖVP-Veranstaltung aktiv geworden. Am Mittwoch wurde die Entscheidung des Gremiums veröffentlicht. ORF-Journalisten hätten alles zu unterlassen, was "Zweifel an der Unabhängigkeit aufkommen lässt", heißt es da.

Wehrschütz hatte bei der ÖVP-Klubklausur über den Ukrainekonflikt referiert. Er hatte dies am Dienstweg mitgeteilt. Vom Personalbüro ist ihm beschieden worden, es handle sich um keine genehmigungspflichtige Nebenbeschäftigung, da er für diesen Auftritt kein Honorar beziehe. Einige ORF-Journalisten appellierten an Wehrschütz, seine Zusage zurückzuziehen - mit dem Hinweis auf die im ORF-Gesetz, im ORF-Verhaltenskodex und in den ORF-Programmrichtlinien getroffenen Regelungen zur Unabhängigkeitsverpflichtung von ORF-Journalisten. Christian Wehrschütz hat den Auftritt trotzdem gemacht. Mit der Begründung, dass, dass er "auch bei Neos, Grünen, SPÖ oder FPÖ referieren würde".

Ethikrat: Keine Zweifel aufkommen lassen

In dem Beschluss des ORF-Ethikrats heißt es, dass es "ORF-JournalistInnen und Programmverantwortliche alles zu unterlassen haben, das geeignet sein könnte, Zweifel an der Unabhängigkeit des ORF aufkommen zu lassen" (Programmrichtlinien) und dass "alle politischen und wirtschaftlichen Verquickungen, die geeignet sein könnten, Zweifel an der Unabhängigkeit aufkommen zu lassen, zu vermeiden sind" (Verhaltenskodex) sind Regeln, die ORF-JournalistInnen bei allen öffentlichen Auftritten zu beachten haben, unabhängig davon, ob dafür ein Honorar bezogen wird oder nicht."

Die Mitwirkung an Parteiveranstaltungen sei zwangsläufig nur in besonderen - im jeweiligen Einzelfall genauestens zu prüfenden und zu begründenden - Ausnahmefällen mit den ORF-Unabhängigkeitsverpflichtungen vereinbar. (z.B. wenn es sich um eine Diskussion mit mehreren, von der veranstaltenden Partei unabhängigen Fachleuten handelt), so das Gremium.

Vereinnahmungseffekte

Sonst könne in der Öffentlichkeit der Eindruck einer Nähe zur veranstaltenden Partei erweckt werden bzw. Vereinnahmungseffekte durch die veranstaltende Partei entstehen (z.B. durch Aussendungen von Parteipressediensten zur Veranstaltung).

Auch der Auftritt als "Experte" bei einer Parteiveranstaltung sei – außer in seltenen, jeweils genauestens zu prüfenden und zu begründenden Einzelfällen – mit den ORF-Unabhängigkeitverpflichtungen unvereinbar. ORF-JournalistInnen haben über die Tätigkeit politischer Parteien unabhängig zu berichten, was zwangsläufig mit deren Beratung inkompatibel ist.

Empfehlung an Alexander Wrabetz

Der Ethikrat empfiehlt dem Generaldirektor, für alle (auch nicht honorierte) öffentliche Auftritte aller ORF-Mitarbeiter und -Mitarbeiterinnen, für die der ORF-Verhaltenskodex gilt, eine am Beispiel der Nebenbeschäftigungsgenehmigungen orientierte Vorgangsweise. Dh, solche Auftritte haben über den/die HauptabteilungsleiterIn dem/der zuständigen DirektorIn, dem Generaldirektor bzw dem/der LandesdirektorIn (also journalistisch und nicht ausschließlich arbeitsrechtlich Zuständigen) mitgeteilt zu werden. In Zweifelsfällen kann – sinnvoller Weise, wie häufig praktiziert, auch vorab – der Ethikrat eingeschaltet werden (was in der Vergangenheit auch zum Ausschlagen von Einladungen in Parlamentsklubs geführt hat). (red, derStandard.at, 21.1.2015)