Aus dem "Wahlerlass 2015" des Landes Niederösterreich, in dem Beispiele für nichtamtliche Stimmzettel gezeigt werden: Fotos sind auf den nichtamtlichen Stimmzetteln nicht erlaubt, daher zählt die Stimme für Gruber nicht.

Foto: Land Niederösterreich

Fünf Kandidaten anzuführen ist zulässig, doch die Ziffern neben den Namen haben amtlich keine Relevanz. Auch Kreuzerl würden amtlich nicht ausgewertet werden.

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Ein Beispiel für einen amtlichen Wahlzettel. Zwar wurde keine Partei angekreuzt, die Stimme zählt aber trotzdem für die Partei, welcher der Kandidat angehört, sowie als Vorzugsstimme.

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St. Pölten / Wien - Ein Wiener mit Zweitwohnsitz in Reichenau an der Rax ist verblüfft: Er fand in dem niederösterreichischen Ort in seinem Postkasten eine ÖVP-Werbebroschüre samt vorgefertigtem Stimmzettel. Darauf steht: "Stimmzettel (ersetzt den amtlichen Stimmzettel), Johann Ledolter" (Bürgermeister [ÖVP], Anm.). Und: "Bitte legen Sie diesen persönlichen Stimmzettel ins Wahlkuvert. Danke!" Der Wiener - als Zweitwohnsitzer am 25. Jänner bei der Gemeinderatswahl stimmberechtigt - zeigt sich empört.

Allerdings: Die niederösterreichische Wahlordnung lässt solche Stimmzettel zu. "Es gab in Niederösterreich eine Zeit, da gab es gar keine amtlichen Stimmzettel", erläutert Alfred Gehart von der Abteilung Gemeinden im Amt der Niederösterreichischen Landesregierung. Erst Mitte der 90er-Jahre wurden diese eingeführt. Nichtamtliche Zettel der richtigen Größe, aus weißlichem Papier und ohne Foto, sind weiterhin erlaubt.

"Nicht beigefügt"

Wenn sich allerdings auf derlei vorgefertigten Zetteln mehrere Namen finden, die dann vom Wähler zur Vergabe von Vorzugsstimmen angekreuzt oder mit Ziffern gereiht werden, wird es kompliziert: Kreuzerl oder zur Reihung gedachte Ziffern neben Namen auf vorgefertigten Listen gelten im amtlichen Verfahren nämlich als "nicht beigefügt".

Allerdings weist beispielsweise die ÖVP in Gedersdorf im Bezirk Krems-Land oder in St. Valentin im Bezirk Amstetten darauf hin, dass man Kandidaten nur anzukreuzen brauche und so Vorzugsstimmen vergeben könne. In der Abteilung Gemeinden im Amt der Landesregierung heißt es, aufgedruckte Namensreihungen könnten nur durch Durchstreichen und Neuplatzieren verändert werden.

"Parteiintern" gültig

Gerhard Karner, Landesparteisekretär der ÖVP, erklärt, warum ÖVP-Ortsparteien trotzdem um Kreuzerl werben: "Es wird dann parteiintern ausgezählt, wer wie viele Vorzugsstimmen hat." Ob ein Vorzugsstimmen-Modell angewandt wird, variiert von Ort zu Ort. Aber wie kommen diese amtlich nicht relevanten Informationen zur Partei? "Nach der amtlichen Auswertung am Wahlsonntag erfolgt die parteiinterne Auszählung", sagt Karner. In Texingtal, wo er selbst Gemeinderat ist, und nicht nur dort, komme dieses System bei den Wählern gut an.

"Kreuzerlauswertung"

In einer E-Mail, die der niederösterreichische SPÖ-Gemeindevertreterverband intern versandte und die dem STANDARD vorliegt, werden die Mitglieder über die "Kreuzerlauswertung" der ÖVP informiert. Diese habe mit dem offiziell kundgemachten Wahlergebnis zwar nichts zu tun, die Vorgangsweise scheine aber "gedeckt" zu sein. Allerdings bleibe die ethische Frage der Wählertäuschung, da versprochen werde, man könne den Gemeinderat direkt wählen.

Das sei eine theoretische Meinung, sagt Karner dazu, die zeige, für wie blöd so mancher die Wähler halte. (Gudrun Springer, DER STANDARD, 22.1.2015)