Die Balkone im neu übergebenen Bauteil in der "Grünen Mitte Linz" sind so gebaut, dass wenig Schatten und viel Regen auf die Pflanzen fällt.

Foto: Ganahl Ifsits Archirekten

Damit das Konzept der Planer (bei diesem Wohnhaus sps Architekten) aufgeht, ist auch der grüne Daumen der Bewohner gefragt.

Visualisierung: sps Architekten

Wolfgang Pfeil (GWG): Projekt der hängenden Gärten.

Foto: Newald

Am Montag rückte in der oberösterreichischen Landeshauptstadt wieder einmal die Blasmusikkapelle aus. Das Ziel des Marsches war der ehemalige Frachtenbahnhof, wo seit 2012 auf 8,5 Hektar Land am Stadtverdichtungsprojekt "Grüne Mitte Linz" gebaut wird. Ein weiterer Bauabschnitt, diesmal Bauteil 2 der Gemeinnützigen Wohnungsgesellschaft der Stadt Linz GmbH (GWG), wurde feierlich an seine Bewohner übergeben - Würstl, Bier und Bürgermeisteransprache inklusive. Als hätte jemand schwarze Klötzchen aus der Fassade geschoben, ragen die vor- und rückspringenden Balkone wild aus der Fassade.

"Die städtebauliche und konzeptionelle Vorgabe dieses Projekts war, einen gewissen Prozentsatz der Balkone, Loggien und Terrassen zu begrünen", sagt Walter Ifsits von Ganahl Ifsits Architekten. "Aus diesem Grund haben wir einen Teil der individuellen Freiräume mit 30 bis 40 Zentimeter hohen Substratkoffern ausgestattet. Die Bepflanzung obliegt nun den Mieterinnen und Mietern. Jetzt müssen sie selbst Hand anlegen."

Die Geometrie der Fassade ist kein Zufall: Die Balkone sind so abgetreppt, dass möglichst wenig Schatten und möglichst viel Regen auf die künftigen Grünflächen fällt.

Antwort auf Seestadt

"Ich sehe die Grüne Mitte Linz in gewisser Weise als Antwort auf die Seestadt Aspern in Wien", so Ifsits, "mit dem Unterschied jedoch, dass wir uns hier im Makartviertel mitten in der Stadt befinden." Das Areal liegt in der berühmten Gleisbeuge der Westbahnstrecke. Zur Rückseite des Hauptbahnhofs sind es nur wenige Minuten zu Fuß. Mehr als 800 Miet- und Mietkaufwohnungen sowie eine große zentrale Parkanlage wird die "Grüne Mitte" bei Fertigstellung im Frühjahr 2017 umfassen. Rund die Hälfte davon soll bis Ende des heurigen Sommers bezogen sein.

"Ein städtebauliches Projekt in dieser Form und Größe gab es noch nie zuvor in Linz", erklärt Wolfgang Pfeil, Geschäftsführer der GWG. "Ich denke, dass die ursprüngliche Idee der hängenden Gärten in den einzelnen Projekten, aber auch in der Gesamtkonzeption noch sehr gut erkennbar ist. Das ist nicht zuletzt den strengen Grünvorgaben der Stadt Linz zu verdanken." Sieben Bauträger (GWG, WSG, BRW, LAWOG, OÖ Wohnbau, Familie und Neue Heimat) sowie zehn unterschiedliche Architekturbüros aus ganz Österreich sind an der Realisierung dieser grünen Linzer Lunge beteiligt.

Einer der Planer ist Simon Speigner von sps Architekten. Auch er hat sich für eine unverwechselbare Fassadengestaltung entschieden. Seine 48 Wohnungen verfügen allesamt über begrünte Balkone, die wie betonierte Bienenwaben aus dem Haus ragen. Der Linzer Künstler und Hörstadt-Initiator Peter Androsch wird ein Kunst-am-Bau-Projekt in Form von bedruckten Glasbrüstungen beisteuern. Im Erdgeschoß wird zudem ein achtgruppiger Kindergarten einziehen. "Es gibt unterschiedlich dichte Bereiche", meint Speigner. "Manche Wohnbauten haben etwas Disperses und Dörfliches, in anderen Häusern wiederum muss man schon ein recht großer Freund des dichten, städtischen Wohnens sein. Und trotzdem: Grün ist es überall."

Einsparungen notwendig

Eine so intensive Begrünung des Hauses ist nicht ohne Abstriche zu machen. Und so hört man von unterschiedlichen Architekten, dass die Bauträger an so mancher Stelle recht energisch zum Rotstift greifen mussten. "Die Baukosten liegen allesamt im Rahmen der Förderbarkeit", sagt GWG-Chef Pfeil. Um die förderbaren Kosten nicht zu sprengen, habe man an einigen Projektpositionen wie etwa bei der Gestaltung der Garage oder der Wahl der Bodenbeläge Einsparungen vorzunehmen.

"Das Schöne an diesem Stadtverdichtungsprojekt ist, dass das Grünkonzept so einzigartig und so stark ist, dass es billigere Details und billigere Materialien durchaus duldet, ohne dabei irgendetwas an Qualität einzubüßen", meint der Steyrer Architekt Gernot Hertl, der für den Bauträger LAWOG 89 Mietwohnungen geplant hat. Im September soll auch dieser Bauteil übergeben werden. "Architektonische und städtebauliche Ansätze scheitern manch-mal daran, dass sie in der Theorie besser klingen, als sie in der Praxis dann tatsächlich aussehen", so Hertl. "Grün jedoch hat das Zeug, immer attraktiv zu sein. Und das macht dieses Projekt so ungemein stark."

Jetzt ist der grüne Daumen der Bewohner gefragt. An ihnen liegt es, das noch erdige Häusermeer in eine blühende Großstadtoase zu verwandeln. (Wojciech Czaja, 17.6.2015)