Werner und Martin Pichlmaier haben das Gasthausmonument Herkner neorustikal aufgemöbelt.

Foto: Gerhard Wasserbauer

Beinfleisch, leider fettfrei pariert, dafür mit Mark auf einer knusprigen Brotschnitte und einer Batterie an Garnituren serviert.

Foto: Gerhard Wasserbauer

Der Herkner in Dornbach war ein prachtvolles Vorstadtwirtshaus mit Pawlatschenhof. Bis vor 15 Jahren galt es als Hafen für jene, die Wiener Küche noch in der Finesse erleben wollten, die ihren Ruf einst begründet hatte. Dann starb Heinz Herkner, der Mann, dessen Rindsuppe mit der Urkraft reifen Fleisches erfüllt war und der von Karpfensulz bis Briesgratin, von gefülltem Ochsenschlepp bis Topfensoufflé all jene Gemeinheiten aufwartete, die kulturpessimistische Phäaken noch einmal über den Verlust einstiger Größe hinwegtrösten konnten – wenigstens für einen Abend. Alles lang vorbei.

Umso erfreulicher, dass wohl beleumundete Pächter jetzt eine Reinkarnation versuchen. Werner Pichlmaier war über Jahre Küchenchef im Sacher, sein Bruder Martin erst im Fabios, dann im Shiki für die Gäste zuständig. Die Herren wissen wohl, dass sie die Aura des alten Herkner nicht wie einst zum Leuchten bringen können. Ob es deshalb unvermeidlich war, das Wirtshausinterieur so radikal durch Raulederbänke, mit Goldschimmer ausgekleidete Lampen und neorustikal herzige Schichtholzsessel zu ersetzen? Hm.

Kluge Öffnungszeiten

Wer den alten Herkner nicht kannte, wird wenig auszusetzen haben, auch, weil die Brüder sich auf kluge Öffnungszeiten verständigt haben: Dienstag und Mittwoch sind Ruhetage, an den traditionell wirtshausarmen Sonn- und Montagen aber ist offen. Und das Essen? Es gibt eine herausragende Erdäpfelsuppe, die – eher unnötig – mit Rohschinken-Chips aufgemotzt wird. Es gibt lauwarm marinierten Kalbskopf mit Käferbohnen und Vogerlsalat, wie man ihn sich bei steirischen Wirtsleuten wie den Pichlmaiers wünscht.

Es gibt aber, wie einst bei Herkner, auch Flusskrebse, tadellos saftig, mit aufgeschäumter Bisque und knusprigem Karfiol. Das ist nur eines von mehreren Zwischengerichten: ganz wunderbare Krautfleckerln zum Beispiel, bissfeste, eigelbe Nudelpletschen mit süßsauer geschmortem, mit Entenschmalz unterfüttertem Kraut; oder gesottene Zunge und saftig gebackenes Bries, mit Stangenzeller und einer Sauce, die einen Schuss Säure vertragen hätte. Am allerbesten aber schmecken mit Bröseltopfen gefüllte Teigtascherln mit Topinambur (sowohl als Püree wie knusprig frittiert) – bescheidene Zutaten, vergnüglich kombiniert.

Fettfreies Beinfleisch

Was leider daneben´geht, ist das Kotelett von der Duroc-Nobelsau, furztrocken gebraten und mit klebrigem Jus statt Natursaftl serviert. Den wässrigen Grammelknödel kann man sich sparen – ordentliches Gemüse (Kelch!) hätte mehr Lebendigkeit vermittelt. Aber das sind nur einige der Speisen auf der monatlich wechselnden Karte. Zusätzlich werden "Klassiker" bereitgehalten: Schnitzel natürlich, in Butterschmalz saftig gebacken. Oder Beinfleisch, leider fettfrei pariert, dafür mit Mark auf einer knusprigen Brotschnitte und einer Batterie an Garnituren serviert. Apfelkren hätte allerdings schärfer sein dürfen, der Rahmspinat, wenn wir schon dabei sind, nicht gar so veltlinerdurstig hergesalzen. Die Kür bilden tägliche Mittagsteller wie Reis- oder Krautfleisch, gefüllte Paprika und Rindschnitzel mit hausgemachten Bandnudeln. Sonntagmittag gibt es Großes aus dem Rohr, Kalbsnierenbraten etwa, Risipisi inklusive.

Die Weinkarte ist schon gut bestückt und wirkt, wie auch die Speisen, fair kalkuliert. Wer hofft, den alten Herkner wiederentdecken zu können, soll es lieber bleiben lassen. Wer ein schwungvoll geführtes Nobelbeisl auf historisch belastetem Vorstadtboden sucht, der ist hier richtig – ganz speziell an den wirtshausarmen Sonntagen. (Severin Corti, RONDO, 22.1.2016)