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Digitale Lerntools sind flexibel nutzbar, weniger zeitintensiv und häufig spielerisch, was die Motivation fördert, sagt Thomas Strasser, Experte für Fremdsprachendidaktik.

Foto: ap/Wong Maye-E

Wien – Wer die Sprachen-App "Babbel" verwendet, navigiert sich durch ein Online-Sortiment an unregelmäßigen Verbformen, Vokabeln für Liebesbriefe, Gesprächen mit Partybekanntschaften, Rezeptionisten oder dem Vorgesetzten. Er lernt mit Audiobeispielen zu fragen, ob jemand Vegetarier ist, in der letzten Vorlesung war, mit einem auf ein Bier gehen möchte. So weit, so praktisch.

Aber eignet man sich eine Sprache online tatsächlich gleich gut an wie offline? Und hat es einen Einfluss auf die Merkleistung, ob ein Buch vor einem liegt oder die zu lernende Vokabel auf dem Smartphonedisplay aufscheint?

"Wie gut jemand mit einer App lernt, ist abhängig vom Lerntyp", sagt Elke Lackner von der Akademie für Neue Medien und Wissenstransfer an der Uni Graz. "Manche können gut am Bildschirm, auch am kleinen Smartphone-Display, arbeiten, andere müssen den Lernstoff auf Papier gedruckt sehen."

Flexibel, aber unpersönlich

Für das Merken von Informationen spiele aber nicht nur eine Rolle, wie man sie zu rezipieren bevorzugt – sondern auch wie gut sie archiviert und kuratiert werden können, sagt Thomas Strasser. Der Professor an der Pädagogischen Hochschule Wien ist Experte für Fremdsprachendidaktik und technologieunterstütztes Lernen und Lehren. "Mit Büchern geht das leicht, aber auch die meisten Apps bieten bereits Funktionen zum Kuratieren von Informationen an."

Eine besondere Stärke digitaler Lerntools sei jedenfalls, dass sie flexibel (also auch in der U-Bahn, beim Warten auf den Bus) nutzbar, weniger zeitintensiv und häufig spielerisch angelegt seien, was die Motivation fördert. Eine Schwäche: Sie können auf individuelle Bedürfnisse schlecht bis kaum eingehen. "Natürlich kann ich einen Anfängerkurs in Italienisch machen, weil ich in Lignano ein Eis bestellen will. Aber wenn ich lernen will, wie ich in einem problematischen Mitarbeitergespräch oder in einer Diskussion über ein kontroversielles Thema spreche, kann mir das eine App schwer beibringen", sagt Strasser. Auch das für den Lernfortschritt wichtige Feedback würde kaum angeboten.

Schließlich ebenfalls entscheidend für den Lernerfolg: ein persönlicher Bezug. Er helfe dabei, sich Informationen besser einzuprägen. "Eine Sprache hat immer auch eine gesellschaftliche und kulturelle Komponente. Wie wir aus der Forschung wissen, hängt auch davon das Merken ab. Wichtig sind also Szenarien, wo Gelerntes auch eingesetzt werden kann", sagt Strasser. Diese Szenarien könnten Apps ebenfalls nur unzureichend bieten. Daher empfiehlt der Experte, digitales Lernen und Präsenzunterricht im Sinne einer "Blended Learning"-Strategie zu kombinieren. Zunächst müsse man überlegen, was man lernen oder lehren wolle, erst danach könne es um das Wie, die Methodik gehen, sagt Strasser. "Für einen Schnellsiedekurs sind Apps gut: Man eignet sich in leicht verdaulichen Dosen Vokabeln und Grammatik an, wann und wo man will. Diskursspezifische Elemente aber lernt man besser in einem Präsenzkurs", so Strasser. "Denn sitze ich in Italien an der Bar, werde ich mit auswendig gelernten Phrasen nicht weit kommen." Da gehe es dann um zwischenmenschliche Aspekte, da brauche es reale Lehrer. Lackner bestätigt: "Zum Sprachenlernen sind ganz unterschiedliche Inputs nötig. Das können Apps sein, Filme, Zeitungen, der Austausch mit Muttersprachlern oder die Reise ins Land."

Was gute Apps ausmacht

Woran man eine hochwertige Lern-App erkennen kann? Zunächst sollte sie möglichst unkompliziert zu bedienen sein, sagt Lackner: "Sie muss intuitiv funktionieren, denn wenn ich mich schon gegen die App wehre, werde ich auch die Sprache nicht lernen." Außerdem, so Strasser, sollten sich die Levels nach gängigen Referenzrahmen richten (A1, A2, B1, B2 usw.) und "eine möglichst große Vielfalt an Themen und Übungsformaten bieten".

Verwendbar sollten Apps idealerweise auch im Offlinemodus sein. "Denn was mache ich, wenn ich in der U-Bahn sitze und schlechte Verbindung habe?"

Ein Mehrwert sei, wenn Grammatikregeln oder einzelne Wörter per Suchfunktion nachgeschaut werden können, sagt Strasser, "eine Art Online-Nachschlagewerk mit Kontext". Was schließlich noch von Bedeutung ist, damit online Gelerntes auch offline abrufbar ist: dass die App laut Lackner "Anknüpfungspunkte zum realen Leben bietet". (Lisa Breit, 17.2.2016)