Auch wenn es praktisch keinen offiziellen Wohnungsleerstand im kanadischen Vancouver gibt: Viele Wohnungen, die von Ausländern als Geldanlage gekauft wurden, bleiben ungenutzt.

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Mieter in Vancouver müssen sich zunehmend glücklich schätzen, überhaupt eine Unterkunft zu finden: Die Stadt hat mit durchschnittlich nur 0,9 Prozent in den letzten 40 Jahren eine der niedrigsten Wohnungsleerstandsraten in Kanada. Die Hälfte der Bevölkerung Vancouvers sind Mieter; in manchen Vierteln sind es bis zu 90 Prozent.

Früher konnte man in der Innenstadt herumwandern, bis man auf eines der vielen Schilder mit der Aufschrift "Zu mieten" traf. Man rief die Telefonnummer darauf an und vereinbarte eine Besichtigung. Aber viele Mietwohnungen wurden zu Eigentumswohnungen umgewandelt.

Ernüchternde Wohnungssuche

Hanna Daber hat jahrelang das einzige Schlafzimmer in ihrer kleinen Wohnung vermietet und im Wohnzimmer geschlafen. Die 43-jährige Webdesignerin zahlte zuerst umgerechnet 700 Euro für ihre Zweizimmerwohnung. Das Viertel, in dem sie bis vor kurzem lebte, verwandelte sich aber in eine trendige Wohngegend. Nach einer Renovierung erhöhte sich die Miete auf 1.200 Euro. In Vancouver verdient die Hälfte der Mieter weniger als 26.000 Euro vor Steuern im Jahr. Die Durchschnittsmiete für eine Dreizimmerwohnung ist auf 860 Euro pro Monat gestiegen – das ist der höchste Wert in Kanada.

Hanna Dabers Suche nach einer neuen Bleibe dauerte drei Monate. Insgesamt besichtigte sie fast 50 Wohnungen. Meist warteten bis zu 20 Interessenten in einer Schlange vor dem Gebäude. Besonders ernüchternd waren die Kellerwohnungen, eine typische Erscheinung in Vancouver. "Viele davon waren schmutzige Höhlen mit Mäusen und Kakerlaken", sagt sie. Wiederholt wurde Daber eine lange Liste von Hausregeln in die Hand gedrückt, bevor sie eintreten durfte: keine Haustiere, Rauchen und Partys verboten, Gäste dürfen nicht über Nacht bleiben.

Viele ausländische Investoren

Schließlich zog sie in eine Garage, die zu einem 18 Quadratmeter großen Studio umgebaut worden war. Einen Backofen gibt es nicht. Daber bereitet nun ihre Mahlzeiten mit einem Mikrowellenherd, zwei Kochplatten und einem Toaster zu. Für diese Bleibe zahlt sie insgesamt 540 Euro. Sie muss sich aber bald wieder auf die Suche machen, denn das Haus wurde verkauft.

Solche Probleme sind kein Einzelfall. Mieter befinden sich in einer prekären Lage in Vancouver. Die Häuserpreise sind in den vergangenen Jahren dramatisch gestiegen. Viele ausländische Investoren, vor allem Chinesen, sind bereit, hohe Preise für Immobilien zu bezahlen. So können sich viele Menschen in Vancouver kein Wohneigentum mehr leisten. Das ist für Kanada ungewöhnlich: Im gesamten Land sind zwei Drittel der Haushalte als Wohneigentum gemeldet.

"Vancouver wird immer mehr zu einem Spielplatz für die Reichen", sagt der freischaffende Übersetzer Hank F. Manche Leute weichen daher in Vorstädte wie Burnaby aus. Doch F. will in Kitsilano bleiben, einem bunten Stadtviertel nahe dem Ozean. Der 51-jährige Single, der zu Hause am Computer arbeitet, wohnt seit 16 Jahren in einer 63 Quadratmeter großen Erdgeschoßwohnung, für die er heute 670 Euro zahlt. Seine rechtliche Situation hat sich zuletzt aber verbessert: Hausbesitzer dürfen die Miete nur noch um knapp drei Prozent jährlich erhöhen.

Zweithäuser im Garten

Seinen Platz im Garten nutzt F. indes kaum mehr. Ein neu errichtetes Haus auf dem Nachbargrundstück nimmt ihm die Sonne. Solche Zweithäuser im Garten oder Hinterhof werden immer häufiger, weil der Boden so teuer geworden ist. Die Behörden haben dafür das Baugesetz gelockert.

Der Bürgermeister von Vancouver, Gregor Robertson, hat die Provinzregierung von British Columbia nun aufgefordert, die Gesetze zu ändern, damit man mehr günstigen Wohnraum für Mieter schaffen kann. Die Stadtbehörden selber haben indes bislang wenig unternommen.

Die meisten Mieter erhalten einen Vertrag, der eine Kündigungsfrist von nur einem Monat vorsieht. Im Allgemeinen sind ihre Rechte aber gut geschützt. Eine Kanadierin, die ein Zimmer in ihrem gemieteten Haus an eine Frau untervermietete, bekam das zu spüren. Als sie die Untermieterin loswerden wollte, sah sie sich unüberwindbaren Hindernissen gegenüber.

Leere Wohnungen

Vom Gesetz her wurde die Frau wie eine Hauseigentümerin behandelt, obwohl sie eigentlich Mieterin ist. Sie hätte der Untermieterin praktisch kriminelle Machenschaften nachweisen müssen, um sie loszuwerden. Schließlich kam es zum psychologischen Kleinkrieg: Sie ließ den Fernseher in ohrenbetäubender Lautstärke Tag und Nacht laufen, lud Freunde zu lauten Partys ein und ließ ständig die Türen knallen. Nach einem Monat zog die Untermieterin aus.

Auch wenn der Leerwohnungsbestand in Vancouver äußerst niedrig ist, heißt das nicht, dass es keine leeren Wohnungen gibt. In Yuppievierteln wie Yale Town stehen viele Wohnungen, die von Ausländern gekauft wurden, leer. Die Medien sprechen von richtigen Geistervierteln. Vielleicht sind es die Geister eines außer Rand und Band geratenen Immobilienbooms, dessen Opfer die Mieter geworden sind. (Bernadette Calonego aus Vancouver, 29.2.2016)