Graz – Als Arne Ziegler vor zehn Jahren an die Universität Graz berufen wurde, sah sich der gebürtige Deutsche in eine ihm fremde sprachliche Umgebung geworfen. "Als Sprachwissenschafter ist man dabei höchst sensibilisiert", sagt Ziegler. "Man erkennt sofort, was anders ist, Auffälligkeiten, die Einheimische vielleicht gar nicht bemerken." Obwohl er zuvor an der Universität Münster im Bereich der historischen Sprachwissenschaft geforscht hatte, wandte er sich in Graz bald einem neuen Forschungsfeld zu: der deutschen Sprache in Österreich.

Aktuell arbeitet Ziegler unter anderem an einem Projekt zu Stadtsprachen in Wien und Graz. Außerdem beschäftigt er sich mit Jugendsprache in Österreich. Mit Kollegen und Mitarbeitern organisiert er den achten internationalen Kongress zu Jugendsprachen, der heuer von 26. bis 28. Mai an der Universität Graz stattfindet.

Indem jugendliche Ausprägungen in verschiedenen Sprachen verglichen werden, gehen die Sprachwissenschafter der Frage nach, ob es prinzipielle Prozesse bei Jugendsprachen gibt, die unabhängig von den Einzelsprachen sind. "Wenn man sich die Forschungsliteratur ansieht, scheint das so zu sein", sagt Ziegler.

"Geil" regt nicht mehr auf

Ein Beispiel dafür ist die Rolle der Jugendsprache für sprachlichen Wandel generell. "Jugendsprache hat ein enormes Innovationspotenzial", sagt Ziegler. "Heutzutage regt sich niemand mehr über die Wörter 'cool' oder 'geil' auf" – sie sind längst in der Alltagssprache angekommen.

Weiters wird international das Phänomen diskutiert, dass sich Jugendliche zunehmend an der Standardsprache orientieren. Für Ziegler könnte das damit zu tun haben, dass Jugendsprachen meist im städtischen Umfeld studiert werden, selten am Land.

In seinem Forschungsprojekt zu Jugendsprache in Österreich hat er in einem ersten Teil den urbanen Raum untersucht, in einem zweiten Teil will er sich der ländlichen Umgebung zuwenden. Bisherige Ergebnisse deuten daraufhin, dass Stadt und Land in der Jugendsprache "zwei unterschiedliche Welten sind": Am Land scheint der Dialekt viel stärker ausgeprägt als in der Stadt – man spricht von Dialektabbau.

Dialektabbau

Ein Beispiel dafür ist die Vorsilbe "ge-": Während Jugendliche in der Stadt eher die Standardformen gelaufen, geschrieben oder gesagt verwenden, heißt es bei ihren Altersgenossen am Land g'laufen, g'schrieben und g'sagt.

Der Dialektabbau macht sich auch bei Verniedlichungsformen bemerkbar, die in Österreich mit der Nachsilbe "-erl" sehr verbreitet sind. Während bei Jugendlichen am Land fast ausschließlich von Pickerl, Sackerl, Gurkerl die Rede ist, sprechen Jugendliche in österreichischen Städten schon einmal vom Gürkchen.

Ziegler schließt aus diesen Differenzen: "Die Jugendsprache gibt es nicht, sondern je nach Lebenssituation bilden sich unterschiedliche Formen aus."

Doch warum orientieren sich Jugendliche in der Stadt stärker am Standard? "Die Stadt ist ein Melting Pot", sagt Ziegler. So gibt es in der Stadt viel stärker die Notwendigkeit sprachlicher Anpassungen, wenn sich Menschen mit unterschiedlicher Herkunft verständigen wollen. Die Sprachwissenschafter sprechen von Ausgleichsprozessen – der Dialektabbau ist ein Aspekt davon. (trat, 28.5.2016)