Michael Ludwig, Wohnbaustadtrat Wien: "Gelungen ist Wien die Durchmischung: dass man an der Wohnadresse nicht den sozialen Status erkennt."

Foto: Regine Hendrich

Johannes Pressl, Bürgermeister Ardagger: "In Niederösterreich treffen uns steigende Grundstückspreise und Stellplatzverpflichtungen genauso."

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Wien – Sie seien sich der Problematik der steigenden Wohnkosten bewusst, aber Untätigkeit könne man der Politik nicht vorwerfen. Das war die einhellige Botschaft des Wiener Wohnbaustadtrates Michael Ludwig (SPÖ) und des Bürgermeisters der niederösterreichischen Mostviertel-Marktgemeinde Ardagger, Johannes Pressl (ÖVP), der als Vizepräsident des niederösterreichischen Gemeindebundes auch in der Wohnbaupolitik des Landes engagiert ist.

"Ich höre immer wieder ähnliche Vorschläge, und viele von ihnen haben wir bereits umgesetzt", sagte Ludwig in der Diskussion mit Pressl, die von Gerfried Sperl moderiert wurde. Er verwies auf die jüngste Wohnbauoffensive, im Zuge deren die Neubauleistung in der Bundeshauptstadt noch einmal von 10.000 auf 13.000 Wohnungen im Jahr angehoben wird, davon ein hoher Anteil im geförderten Sektor. "Wir bauen schneller, preiswert und nachhaltig", so Ludwig.

"Gelungene Durchmischung"

Bei der Durchforstung der Vorschriften und Normen sei etwa die gesetzliche Verpflichtung zu Notkaminen gestrichen worden, was ein bis zwei Prozent Einsparungen bei den Baukosten bringen sollte. Die Stellplatzverpflichtung sei von einem Parkplatz für jede Wohnung auf einen Platz für jeweils 100 Quadratmeter Wohnfläche abgeändert worden. Auch dies sei eine deutliche Entlastung, vor allem angesichts des Smart-Wohnungsprogramms, das kleinere Wohnungen mit höchstens 60 Quadratmetern Wohnfläche vorsieht. Ziel seien "kostengünstige Wohnungen mit einem hohen Qualitätsanspruch", die für Menschen aus allen sozialen Schichten attraktiv sind, betonte Ludwig. "Was uns in Wien immer gelungen ist, ist die soziale Durchmischung: dass man an der Wohnadresse nicht den sozialen Status erkennt."

In Niederösterreich ist der Wohnbau zwar von privaten Eigenheimen geprägt, "aber auch wir haben die städtischen Ballungszentren mit allen bekannten Problemen", sagte Pressl. "Steigende Grundstückspreise und Stellplatzverpflichtungen treffen uns genauso." Auch hier habe man den Zwang zu Notkaminen abgeschafft. Und das Pendant zu den Wiener Smart-Wohnungen ist für Pressl das Programm Junges Wohnen, vermöge dessen Wohnungen bis zu 60 Quadratmetern besonders gefördert werden. Überlegt werden auch Programme für Familien und betreutes Wohnen. "Das Instrument der Wohnbauförderung wird gezielt eingesetzt, um auf Lebensabschnitte zu reagieren", sagte Pressl.

Er verwies auch auf die jüngste Initiative, Wohn.Chance.NÖ, zum Bau besonders günstiger Wohnungen, die auch für Flüchtlinge geeignet sind. Für dieses Programm ist seit der Ministerrochade Neolandesrätin Johanna Mikl-Leitner zuständig. Doch das läuft nicht so glatt. Pressl: "Anhand dieses Projekts hat man alles gesehen, was an Lobbyismus entsteht. Schon bei den Grundstücken hat es gehapert, die man nicht um einen Euro bekommt."

Unterschiede beim Mietrecht

Viel Übereinstimmung zwischen den Regierungsparteien herrsche bei der zentralen Bedeutung der Wohnbauförderung, einer "Wurzel des sehr gut funktionierenden Systems in Österreich", sagte Ludwig. Umso deutlicher aber seien die Unterschiede beim Mietrecht. "Da vertritt die SPÖ die Mieterinteressen, die ÖVP viel stärker die Eigentümerinteressen, und das ist der Grund, warum man sich so schwertut, zu einem gemeinsamen Mietrecht zu kommen. Alle sagen, ein einfaches Mietrecht ist doch einfach zu finden. Ja, aber wir sind uns nicht einig, in welche Richtung das gehen sollte."

Auch bei der Raumordnung gibt es Brösel, allerdings nicht wegen ideologischer, sondern wegen regionaler Differenzen zwischen Wien und Niederösterreich. "Da gibt es noch Luft nach oben", sagte Ludwig. "Das hängt auch damit zusammen, dass die Raumordnung im Bundesland nicht zentral organisiert ist, sondern regional. Aber nicht nur aus egoistischer Wiener Sicht halte ich eine bessere Kooperation für notwendig, sondern auch für die Umlandgemeinden, die beim Wohnbau, bei Betriebsansiedelungen und beim Verkehr Vorteile lukrieren könnten." Zumindest beim öffentlichen Verkehr aber funktioniere die Zusammenarbeit mit Niederösterreich und dem Burgenland dank Vereinbarungen mit Bundeskoordination gut.

Pressl sieht das ähnlich: "Niederösterreich und Wien sitzen bei gemeinsamen Projekten zusammen, etwa beim Flughafen. Es geht hier um die grenzüberschreitende Region Centrope, in der mehrere Millionen Menschen leben." (ef, 8.6.2016)