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Die Seilbahn in der bolivianischen Metropole wurde 2014 eröffnet.

Foto: APA/EPA/Martin Alipaz

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In den kommenden Jahren wird sie etappenweise ausgebaut. Sie soll den öffentlichen Verkehr umweltfreundlicher und komfortabler machen.

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Wien – Noch vor zwei Jahren haben viele Bewohner der bolivianische Hochlandmetropole La Paz ihren Tag im Stau begonnen. Der einzige Weg zur Arbeit führte in Autos und Bussen durch die verwinkelten Straßen. Seit 2014 gibt es eine Alternative: In rund einer Viertelstunde gleiten sie in Seilbahnen über die Stadt hinweg und genießen ein atemberaubendes Panorama. Die Seilbahn verbindet den Talkessel mit der Nachbarstadt El Alto auf mehr als 4000 Meter Höhe. "Die Zeitersparnis ist gewaltig und beträgt rund eineinhalb Stunden pro Arbeitsweg", sagt Ekkehard Assmann vom Vorarlberger Unternehmen Doppelmayr. Der weltweite Marktführer im Seilbahnbau betreibt in Bolivien ein Vorzeigeprojekt, was Seilbahnen im öffentlichen Verkehr leisten können.

Die Bevölkerung von La Paz kann die Fortbewegung mit dem neuen öffentlichen Verkehrsmittel auch bezahlen: 30 Cent kostet eine Fahrt mit dem Minibus, eine Seilbahnfahrt kommt auf 35 Cent, berichtet Assmann. Denn die Betriebskosten sind relativ gering. Daher ist eine Seilbahn oft für ärmere Staaten interessant. Bis zu diesem Sommer wurden in La Paz bereits 50 Millionen Passagiere transportiert – ohne Unfälle und Vorfälle im Gegensatz zum Straßenverkehr. Die ökologischen Vorteile liegen auf der Hand: Es entsteht wenig Lärm und die Anlage wird mit Strom betrieben. Der Verbrauch von fossilen Brennstoffen könnte so reduziert werden. Denn wenn der Strom für den Antrieb auch noch aus erneuerbaren Energien bezogen wird, gilt das Verkehrsmittel als CO2-neutral.

Und das Seilbahnnetz in Bolivien wächst in den kommenden Jahren weiter. 2012 wurde die erste Phase des Ausbaus mit drei Bahnen begonnen, die 2014 etappenweise in Betrieb genommen wurden. "In der zweiten Phase kommen noch einmal rund 20 Kilometer strecke dazu. Die erste neue Seilbahn soll bis Ende des Jahres fahren", so Assmann.

Gerade in dicht verbauten Millionenstädten können sich Seilbahnen in die bestehende Infrastruktur einfügen, da sie eine neue Ebene nutzen und am Boden relativ wenig Platz einnehmen. Auch in Mexiko-Stadt ist eine Seilbahn im Gespräch und wäre eine dringend notwendige Entlastung der Straßen: Seit Jahren kämpft die Metropole mit Smog und Stau, im Ballungsraum leben rund 20 Millionen Menschen. Der Bau der vorläufig mit sechs Kilometer geplanten Strecke würde laut Berechnungen von Architekten weniger kosten als ein Ausbau der U-Bahn.

Billiger als U-Bahn-Bau

Auch in New York wird mit dem Gedanken gespielt, eine Seilbahn zu errichten. Geht es nach dem Immobilienmakler Daniel Levy soll der "East River Skyway" Manhatten und Williamsburg verbinden. Als weitere Ausbauphase könnten zudem der Finanzdistrikt und die Vereinten Nationen mit Williamsburg verbunden werden. An den Kosten sollte es laut Levy nicht scheitern: Jede Ausbauphase würde zwischen 75 und 125 Millionen Dollar kosten und würde damit billiger kommen als eine neue U-Bahn-Linie.

Mittlerweile sei die Liste lang, wo es überall Seilbahnen gibt, sagt Assmann und ergänzt: "Es braucht Bewusstseinsbildung, um Seilbahnen als öffentliche Transportmittel kennenzulernen." Ursprünglich kommen Seilbahnen aus Städten, sagt er. Bekannt geworden seien sie freilich während des Booms des Wintertourismuses ab den 50er-Jahren.

Gründe für wenige Seilbahnen

Das Institut für Raumentwicklung und Kommunikation (raumkom) in Trier hat zu diesem Thema eine Studie erstellt. Die Frage, warum Großstädte erst zaghaft auf die Seilbahn kommen, wird darin mit drei Punkten beantwortet: Zum einen werden Kenntnisse über Seilbahntechnik an vielen Universitäten nicht vermittelt. Seilbahnen werden noch immer stark mit Tourismus und Skifahren assoziiert. Und schließlich fehlt es an Vorbildern: Seilbahnen werden in Mitteleuropa nur zaghaft in Städten ausgebaut.

"Eine Seilbahn kann vieles, aber nicht alles", sagt Assmann dem STANDARD auf die Frage, ob sich ein Bau auch für Wien anbietet. Die Kapazität einer U-Bahn erreicht eine Seilbahn nicht. Dafür kann sie zum Beispiel U-Bahn-Knotenpunkte verbinden. Bislang war sie nur als Tourismusgag am Kahlenberg im Gespräch.

In der türkischen Hauptstadt Ankara wurden ganze Stadtviertel an das Metronetz angeschlossen. Zuvor brauchten die Bewohner der Stadtteile Sentepe und Yenimahalle in der Rush Hour fast eine Stunde zur nächsten Station. Seit 2014 können sie den Weg in zehn Minuten zurücklegen. (Julia Schilly, 21.9.2016)