Wien – Der Publizist Paul Lendvai sieht die am Wochenende geschlossene Zeitung "Népszabadság" als Opfer einer politisch motivierten Anzeigenblockade. "Es geht nicht um Verluste, sondern um eine Inseratenblockade", sagte Lendvai am Montag im Ö1-"Morgenjournal" mit Blick auf regierungsnahe Unternehmen. "Ohne Inserate kann eine Zeitung kaum leben."

Die österreichischen Eigentümer der Zeitung hatten das Aus am Wochenende mit Verlusten begründet. Regierungskritiker vermuten, dass die Schließung politisch motiviert ist. Lendvai sagte, mit "Népszabadság" sei "die wichtigste Stimme der kritischen Intelligenz verstummt". Daher hätten alle Parteien und alle Zeitungen außerhalb des Bereiches der national-konservativen Regierung gegen die Schließung protestiert.

"Orbán persönlich hat damit sicherlich nichts zu tun"

Lendvai widersprach aber Vermutungen, dass Ungarns Premier Viktor Orbán persönlich hinter der Schließung stehe. "Viktor Orbán persönlich hat damit sicherlich nichts zu tun", sagte der Osteuropa-Experte. Er wies darauf hin, dass der jetzige Eigentümer das Blatt im Jahr 2014 "mithilfe von Bankkrediten" gekauft habe, nachdem es zuvor im Besitz der Medienkonzerne Ringier und Bertelsmann gestanden sei.

Lendvai zeigte sich verwundert über die Vorgangsweise der "Népszabadság"-Eigentümer, die einerseits die Zeitung verkaufen wollen, andererseits aber den Betrieb einstellen und die Mitarbeiter entlassen.

Journalistenorganisation: politische Gründe

Die europäische Journalistenvereinigung AEJ hat sich besorgt über eine mögliche "politische Motivation" für das Aus der regierungskritischen ungarischen Tageszeitung "Népszabadság" gezeigt. Er vermute eine "konzertierte Aktion" zur Schließung "einer Zeitung, die es gewagt hat, die Regierung Orbán wiederholt zu kritisieren", teilte AEJ-Präsident Otmar Lahodynsky am Montag in einer Aussendung mit.

"Es ist äußerst besorgniserregend, dass der Medienpluralismus in Ungarn wieder einmal eingeschränkt wurde und dass als Folge die Jobs von so vielen Journalisten aufs Spiel gesetzt wurden", kritisierte der Präsident der Vereinigung Europäischer Journalisten. Er verwies auf die Proteste gegen die am Samstag verkündete Schließung, die von Gegnern der rechtskonservativen ungarischen Regierung als "ein neuer Angriff auf die Pressefreiheit" gesehen werde.

Der Eigentümer der Zeitung, die im österreichischem Besitz stehende Mediaworks AG, hatte die Schließung am Samstag mit den Verlusten der Zeitung begründet. Verhandlungen mit der Redaktion über einen finanziell tragfähigen Geschäftsplan scheiterten am Sonntag. Chefredakteur Andras Muranyi sagte danach, Verhandlungen über einen Verkauf der Zeitung seien die einzige Möglichkeit. (APA, 10.10.2016)