STANDARD: Die Reise der Marke Fendi war lang. Seit Sie im Jahr 2012 an Bord gegangen sind, haben Sie vieles umgekrempelt.

Beccari: Wir mussten einiges ändern, um die Mode ins Zeitgemäße zu führen und um neue Kundschaft anzusprechen. In den 1960- und 70er-Jahren bereits definierten die fünf Fendi-Schwestern die damalige Pelzmode trotz Skepsis der Mutter und Unternehmensgründerin Adele neu: Als sie 1968 bei Karl Lagerfeld anfragten, waren die Mäntel noch sehr behäbig. Je schwerer, desto deutlicher wurde Reichtum zur Schau gestellt. Und was tat Lagerfeld? Er modelte alles um. Er schnitt heraus, fügte hinzu, kreierte "FF – fun fur", als Zeichen für Leichtigkeit, edle Materialien, Kunst und – großgeschrieben – Spaß.

STANDARD: Sie haben nun auch am Kohlmarkt, der Luxuseinkaufsmeile in der Wiener City, eröffnet. Wen wollen Sie ansprechen?

Beccari: 70 Prozent sind bislang Österreicher. Natürlich gibt es auch russische und osteuropäische Kunden. Mir liegt besonders daran, auch ein junges "sophisticated" Publikum zu erreichen. Und das wird wohl auch gelingen, denn Wien ist eine Kombination aus Tradition und Moderne.

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Haute Fourrure – den Namen für gediegene Pelzmode schuf einst Karl Lagerfeld in Anlehnung an "Haute Couture".
Foto: Reuters/Alessandro Garofalo

STANDARD: Sie betreiben weltweit 197 Boutiquen. Reagieren Sie auf den Geschmack unterschiedlicher Kulturen?

Beccari: Wir werden weltweit immer dieselbe Kollektion anbieten. Entweder es gefällt oder gefällt nicht. Amen. Karl stellt sich diese Frage nicht. Das ist unsere Stärke.

STANDARD: Plagiate …?

Beccari: ... sind ein großes Problem. Dazu kommt, dass Billig-Nachahmerprodukte häufig mit Kinderarbeit verbunden sind, oft fließt der Gewinn daraus in kriminelle Zweige wie Drogenhandel. Wir produzieren zu hundert Prozent in Italien, 65 Prozent unserer Pelzkollektion wird in den Ateliers in der Konzernzentrale im Palazzo della Civiltà Italiana in Rom erzeugt. Und unsere Kunden sind sehr wohl imstande, Original und Fake zu unterscheiden.

STANDARD: Das Unternehmen hat den Trevi Brunnen in Rom um 2,18 Millionen Euro renoviert. Mit dem Brunnen untrennbar verbunden ist Fellinis "La dolce vita". Ein Credo für Ihre Mode?

Beccari: Brunnen sind Rom. Sie erzählen eine Geschichte. Unsere Mode erzählt seit dem Geburtsjahr 1925 auch Geschichte. Ich wollte die Marke mit Rom verknüpfen. Renovierung ist ja nicht nur Mäzenentum, sondern auch Marketing.

STANDARD: Kaum ein Label ist mit Pelzen so verbunden wie Fendi. Woher beziehen Sie Ihre Ware?

Beccari: Aus Auktionen. Wir stellen sicher, dass sie ausschließlich aus zertifizierten Betrieben kommen. Da sind wir kompromisslos.

STANDARD: Welche Märkte werden Sie in naher Zukunft erschließen?

Becarri: Heuer noch in Australien Melbourne und Sydney, sowie in Vancouver in Kanada. Andererseits mussten wir auch 30 bis 40 Läden schließen. Sie waren zu klein, konnten nicht ausreichend von der Kollektion ausstellen und repräsentierten das Label so nicht mehr.

STANDARD: Wann beginnt der Tag des Pietro Beccari, wann endet er?

Beccari: Er beginnt sehr früh. Ich bin um sieben Uhr im Büro, lese Zeitungen und rufe in China und Japan an, um zu hören, was es Neues gibt. Und im Regelfall bin ich auch der Letzte, der das Büro verlässt. Fendi ist kein Job, sondern Teil des Lebens – wenn Karl oder andere Gäste zum Beispiel bei meiner Familie zum Essen vorbeischauen. Man ist wie eine Inkarnation des Unternehmens.

STANDARD: Warum der Verkauf an LVMH im Jahr 2000?

Beccari: Es war der richtige Zeitpunkt. Der Konzern war gut aufgestellt. Gleichzeitig wurde aber auch die Familie immer größer. Es wurde schwieriger, das Unternehmen zu managen und den vielen Ideen gerecht zu werden.

STANDARD: Der Wertewandel bei Pelzmode in 1980ern und 90ern spielte keine Rolle?

Beccari: Absolut keine. (Sigrid Schamall, 17.11.2016)