Helfer mit Sachspenden im Herbst 2015 auf dem Westbahnhof. Frauen machen häufiger Sachspenden, Männer sind fleißigere Blutspender.

Foto: APA/Roland Schlager

Wien – Der Fundraising-Verband Austria hat im Jahr 2015 so viele Spenden wie noch nie registriert: 625 Millionen Euro spendeten die Österreicher, mit rund 600 Millionen war gerechnet worden. Im Jahr 2014 – ebenfalls ein Rekordjahr – waren es 570 Millionen gewesen; schon in den Jahren zuvor war die Spendenbereitschaft gewachsen. Die Durchschnittsspende in Österreich ist im Vorjahr somit um fast zehn Prozent auf 122 Euro gestiegen. "Das ist das größte Wachstum, das wir in den letzten Jahren gesehen haben", sagte Fundraising-Verband-Geschäftsführer Günther Lutschinger bei der Präsentation des Spendenberichts 2016 am Dienstag

Für 2016 rechnet Lutschinger mit einer gleich hohen Spendensumme – gut ein Viertel des Spendenaufkommens findet aber erst jetzt, in den letzten Wochen des Jahres statt. Bernd Wachter von der Caritas sagte dazu im STANDARD-Gespräch, dass er das für eine "starke Hoffnung" halte. 2015 sei in Sachen Spendenbereitschaft ein sehr besonderes Jahr gewesen. Allein heuer gingen rund 15 bis 20 Millionen (Stand November) in den Bereich der Flüchtlingshilfe.

Spendenbericht 2016/Fundraising Verband Austria

"Land der Kleinspender"

Österreich ist trotzdem nicht Spendenweltmeister, wie manchmal behauptet wird, sondern ein "Land der Kleinspender für gemeinnützige Zwecke", wie Lutschinger sagte. Deutsche spenden pro Kopf gerechnet deutlich mehr: 86,4 Euro. In Österreich sind es 74,8 Euro pro Kopf. In den Niederlanden werden 130 Euro pro Kopf gespendet, in Großbritannien noch einmal doppelt so viel.

Seit dem Jahr 2000 war zunächst die Anzahl der Spender in Österreich gesunken, doch das habe sich seit 2014 wieder gedreht, sagte Bernhard J. Hofer, Geschäftsführer von Public Opinion, der Spendermotive erforscht. Fast zwei von drei Österreichern gaben laut Hofer an, im Vorjahr etwas gespendet zu haben.

Spendenbericht 2016/Fundraising Verband Austria

Die Spendenbereitschaft variiert regional: In Kärnten und der Steiermark ist der Schnitt mit 178 Euro besonders hoch, der geringste Schnitt pro Spender wurde mit 97 Euro in Oberösterreich verzeichnet. Frauen sind großzügiger: Sie spendeten im Schnitt 133 Euro, Männer etwa zehn Euro weniger.

Mehr Geld für Obdachlose

Als wichtigste Spendenthemen machte Hofer Kinder (29 Prozent) aus, gefolgt von Tieren und Katastrophenhilfe (je 22 Prozent). Bemerkenswert sei eine Verschiebung nachgereihter Themen wie der Obdachlosenhilfe, deren Wichtigkeit um drei Prozent zunahm (auf 15 Prozent). Die Flüchtlingshilfe habe "natürlich auch eine andere Aufmerksamkeit" bekommen.

Auch die Spendenformen unterlägen einem Wandel: Für von Organisationen versandte Geschenke wie etwa Postkarten werde weniger gespendet, ebenso verhalte es sich bei Straßensammlungen. Stark sei dagegen der Verkauf von Straßenzeitungen und die Spende beim Einkauf im Supermarkt. Sachspenden werden laut Hofer vorrangig von Frauen getätigt. Blutspenden wiederum mehr von Männern. Das Motiv "Mitleid" sei wieder präsenter.

Spendenbericht 2016/Fundraising Verband Austria

"Die Österreicher sind bei weitem solidarischer, als uns die Politik derzeit zu vermitteln versucht", sagte Bernd Wachter, Generalsekretär der Caritas bei dem Pressegespräch. Die Caritas Österreich führt mit 73,3 Millionen Euro an Spenden 2015 die Liste der größten Spendenorganisationen an. Im Jahr zuvor war noch das Rote Kreuz an erster Stelle gestanden. Dieses erhielt 2015 71,7 Millionen Euro an Spenden (2014: 63,7 Millionen).

"Schlechtreden der Schwachen"

Bei der Caritas hätten sich bei Beginn der Flüchtlingsbewegung durch und nach Österreich 15.000 Freiwillige gemeldet, zusätzlich zu den bereits für die NGO tätigen 40.000, sagte Wachter, der sich im Namen aller Spendenorganisationen für die Spenden bedankte. "Es wurde für Menschen in der Pflege, Hospizarbeit, Familien in Österreich, Menschen ohne Obdach, Hungerleidende in Afrika, Menschen in Syrien und – in besonderer Form – für Menschen auf der Flucht gespendet", sagte Wachter. Das derzeit zu beobachtende "Schlechtreden der Schwachen, von Flüchtlingen und von Mindestsicherungsbeziehern, erzeugt eine Spaltung", warnte Wachter. Das Spendenaufkommen zeige bei allen vorherrschenden Ängsten: "Die Schwachen sind willkommen."

Spendenbericht 2016/Fundraising Verband Austria

Fast jeder dritte gespendete Euro wird steuerlich geltend gemacht. Laut Lutschinger befinden sich inzwischen rund 22 Kunst- und Kultureinrichtungen auf der Liste der spendenbegünstigten Organisationen, weshalb auch in dem Bereich das Spendenaufkommen stark steige. Rund 900.000 Österreicher schreiben Spenden laut Lutschinger ab, das sei ein Viertel der Steuerpflichtigen. "Aber es gibt einen Bereich, der uns Sorgen macht, nämlich, wie Sonderausgaben künftig abgesetzt werden müssen", sagte Lutschinger. Ab 2017 müssen nämlich die NGOs, nicht mehr die Einzelspender selbst, dem Finanzamt die eingegangenen Spenden melden. Damit diese abgesetzt werden können (wenn die Spender das wollen), müssen die NGOs über den vollen Namen der Spender, wie er im Melderegister steht, verfügen sowie über das Geburtsdatum.

Public Opinion fragte ab, wie verbreitet die Information über die neuen Regeln zur steuerlichen Absetzbarkeit von Spenden bereits ist: "Acht von zehn Österreichern wissen nicht, dass sie das künftig nicht mehr selber machen müssen, sondern dass es die Organisation machen wird", sagte Hofer. Nur 20 Prozent sähen sich ausreichend vom Finanzamt darüber informiert. 40 Prozent erwarten sich mehr Infos über die Medien, 20 Prozent eine Broschüre vom Finanzministerium. Nur ein Viertel gab bei der Befragung an, den Spendenorganisationen die Daten auch bekanntgeben zu wollen.

"Total verunsichert"

"Wir bemühen uns, den Verwaltungsaufwand gering zu halten, damit möglichst viele Spendengelder in die Projekte kommen. Und jetzt sind wir total verunsichert, wie viel Aufwand es sein wird, die Daten der Spender zu ermitteln", sagt Gabriela Gebhart, Geschäftsführerin der Stiftung Kindertraum, einer NGO mit einer Handvoll Mitarbeitern.

Sie und Lutschinger fordern vom Finanzministerium, die Öffentlichkeit umfassend über die Neuerungen zu informieren. Lutschinger: "Knapp 1.200 Organisationen sind auf der Liste der Spendenabsetzbarkeit. Es wäre bitter, wenn die Freude am Spenden und Teilhaben in die falsche Richtung geht, weil sie von solchen technischen Dingen überlagert wird."

Beim Finanzministerium heißt es dazu auf STANDARD-Nachfrage, diese Änderung sei bereits seit März 2015 bekannt, weitere Informationen dazu seien geplant. Für Spender stelle die Neuerung außerdem eine Vereinfachung dar. Im Übrigen könne das Finanzamt nur sehen, dass und wie viel gespendet wurde, nicht aber, wem. (Gudrun Springer, 29.11.2016)