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Das übliche Einsatzgebiet einer Pistenraupe ist die Präparierung von Pisten. Der Seefelder Tourismusverband nutzte ein solches Fahrzeug als Vehikel für einen PR-Gag.

Foto: REUTERS/Leonhard Foeger

Die Nachricht, dass sich das Skigebiet Seefeld eine neue Pistenraupe geleistet hat, ist bestenfalls für die Innsbrucker Lokalausgabe der "Tiroler Tageszeitung" relevant. Wenn das Pistengerät aber aus Versehen im gleichnamigen Ort in Norddeutschland landet, berichten sämtliche deutschsprachige Medien inklusive der "Bild"-Zeitung darüber. Die Geschichte um den "verirrten" Pistenbully hat in den vergangenen Tagen Deutsche und Österreicher zum Lachen gebracht. Blöd nur, dass es sich dabei um einen – zugegebenermaßen genialen – PR-Gag des Seefelder Tourismusverbands handelt.

Der vermeintliche LKW-Fahrer Zlatko J., ein Innsbrucker Kabarettist. Der "Leserreporter", der ein Foto aus dem hohen Norden an die "Bild"-Zeitung geschickt hat, einer der Produzenten. Das Pistengerät, es wurde absichtlich nach Seefeld transportiert und von einem Filmteam begleitet, um einen Werbespot zu produzieren. Die Geschichte ist also frei erfunden.

Hinters Licht geführt

Natürlich ist die Meldung mit dem Pistenbully harmlos. Aber es ist schon bemerkenswert, dass dutzende Medien aus Österreich und Deutschland darüber berichtet haben – unter anderem die Salzburger Nachrichten, Spiegel-Online – und auch DER STANDARD. Kritisch nachgefragt haben laut Tourismusverbandschef Elias Walser – der die Falschmeldung lanciert hat –, nur Reporter der "Tiroler Tageszeitung" und vom NDR. Zwar haben auch die Deutsche Presse-Agentur (dpa) und der Schleswig-Holsteinische Zeitungsverlag (SHZ) nachgehakt und ihre Recherche im Nachhinein transparent gemacht, wie der Norddeutsche Rundfunk (NDR) berichtet. Doch betonen beide Medien, dass die Verantwortlichen sie auf Nachfrage bewusst hinters Licht geführt haben.

Rückblickend erklärt die Nachrichtenagentur: "Es wäre von vornherein besser gewesen, sich nicht allein auf die Aussagen des Geschäftsführers Walser zu verlassen – auch wenn nicht zu erwarten war, dass eine Person in dieser verantwortlichen Position auf derart konkrete Fragen bewusst die Unwahrheit sagt". Letzteres hat natürlich eine gewisse Richtigkeit, ändert aber nichts daran, dass der große Rest der Medien die Pistenbully-Geschichte offenbar kritiklos übernommen hat. Erste User schreien daher "LÜGENPRESSE!" in die Kommentarspalten und als kritischer Leser fragt man sich, wie es um den Wahrheitswert der vielen anderen Online-Geschichten bestellt ist. Denn nicht alle Falschmeldungen sind so harmlos wie die Pistenbully-Nachricht.

Gehört wird, wer am lautesten schreit

In einem Zeitalter, in dem jeder publizieren kann, müssen sich journalistische Angebote mit fundierten bis untergriffigen Postings, Verschwörungstheoretikern und zwielichtigen Blogs messen. Gehört wird hier oft derjenige, der am lautesten schreit. "Heiße" Geschichten sind daher auch für renommierte Medien im Netz Klicks und damit Werbeeinnahmen wert. Um zu recherchieren, fehlt im schnellen Onlinejournalismus nicht selten die Zeit. Doch ist nicht gerade Wahrhaftigkeit eines der letzten Assets im professionellen Journalismus gegenüber Möchtegern-Medien? Nämlich, dass sich ein Journalist die Zeit nehmen kann, um Fakten zu überprüfen, zweifelhafte Geschichten zu hinterfragen und der Wahrheit damit so nahe wie möglich zu kommen. Eben, weil genau das der Job ist.

Auch ich habe die Pistenbully-Meldung geglaubt und privat verbreitet. Hätte ich das als Journalist auch getan? Gut möglich. Der Seefelder Pistenbully möge Journalisten eine Mahnung sein, sich wieder auf alte Tugenden zu besinnen. Dazu gehört auch, Fehler einzugestehen und zu korrigieren. Zumindest das hat die "Bild" vorbildlich gemacht. (Raffael Reithofer, 30.11.2016)