Alle angehenden Richter und Staatsanwälte sollen Justizgeschichte lernen, damit umstrittene Entscheidungen wie im Fall des Aula-Verfahrens nicht mehr passieren.

Foto: apa/hochmuth

Wien – "Überrascht" zeigt sich Justizminister Wolfgang Brandstetter (ÖVP), dass die von ihm initiierten flächendeckenden Pflichtkurse in Justizgeschichte für angehende Richter und Staatsanwälte im Sand verlaufen sind. Er habe selbst aus dem STANDARD erfahren, dass aus der österreichweiten Umsetzung des Projekts nichts wurde, so Brandstetter auf Nachfrage.

Zur Erinnerung: Nach der umstrittenen Einstellung des Verhetzungsvorverfahrens gegen das Magazin Aula, das KZ-Überlebende als "Landplage" beschimpft hatte, hatte Brandstetter im März 2016 angekündigt, angehende Richter künftig besser über Justizgeschichte und NS-Aufarbeitung in der Justiz informieren zu wollen. An diesem Thema solle künftig kein Richteramtsanwärter vorbeikommen, hieß es damals.

Da es bereits ein freiwilliges Curriculum zum Thema Justizgeschichte gab, das von der Forschungsstelle Nachkriegsjustiz gestaltet und pro Jahr von rund 30 Richteramtsanwärtern besucht wurde, erteilte das Ministerium der Forschungsstelle den Auftrag, diesen Kurs künftig für alle angehenden Richter zu organisieren. Fixer Bestandteil dieses aus zwei dreitätigen Modulen bestehenden Curriculums war jeweils ein Besuch in der Gedenkstätte Mauthausen, aber auch Diskussionen mit hochrangigen Justizvertretern fanden statt. Die Kurse wurden von angehenden Richtern und Staatsanwälten aus ganz Österreich besucht.

"Plötzlich Funkstille"

Gespräche über eine Ausweitung des Curriculums seien bis Sommer 2016 gelaufen, "aber dann war plötzlich Funkstille", sagt der wissenschaftliche Koleiter der Forschungsstelle, Winfried Garscha, zum STANDARD. Die Folge: Heuer gibt es das Modul weder auf verpflichtender noch auf freiwilliger Basis. Und das, obwohl Garscha und andere Historiker und Juristen inzwischen ein Konzept für das Pflichtfach ausgearbeitet hatten.

Im Justizministerium hieß es vergangene Woche, die Sache sei von der Beamtenebene an die Oberlandesgerichte (OLGs) delegiert worden. Nun würden die OLG-Sprengel Graz und Linz jeweils eigene Kurse durchführen. In Innsbruck sei das wegen der geringen Zahl an Kandidaten nicht regelmäßig machbar, im größten Sprengel Wien, zu dem auch Niederösterreich und das Burgenland gehören, stecke man noch in der Planung. Die zuständige Richterin am OLG Wien war für den STANDARD am Montag nicht erreichbar.

Justizminister Brandstetter kündigte jedenfalls an, er werde "dem nachgehen". Ein Gespräch mit dem Wiener OLG-Präsidenten sei für nächste Woche geplant. (Maria Sterkl, 21.2.2017)