Andritz-Chef Leitner ist Topverdiener der Vorstandschefs.

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OMV-General Seele folgt auf Platz zwei.

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Seit 2003 legten die Vorstandsgagen in den börsennotierten Leitbetrieben um 172 Prozent zu, das Medianeinkommen aber nur um knapp 30 Prozent. Der Wiener Leitindex ATX stieg von 2003 bis Ende 2016 um 70 Prozent. "Zu diesem Missverhältnis haben falsche Anreize wie die kurzfristige Orientierung am Börsenkurs oder an anderen Finanzkennzahlen wie Überschuss oder Ebit geführt", so AK-Expertin Christina Wieser am Donnerstag in einer Aussendung.

Soziale und ökologische Kriterien würden kaum beachtet, auch beim mittlerweile laut Gesetz zu beachtenden Faktor Nachhaltigkeit gebe es Verbesserungsbedarf. Hoffnung setzt die Arbeiterkammer (AK) nun auf die nationale Umsetzung der Novellierung der Aktionärsrechterichtlinie, die der Europäische Rat verabschiedet hat. "Diese muss bestehende Gesetzeslücken schließen", so Wieser.

Mehr Transparenz

Die AK wünscht sich, dass nicht die Hauptversammlung, sondern der Aufsichtsrat die Vorstandsvergütung bestimmt. Zudem solle ein angemessenes Verhältnis festgelegt und dieser Faktor auch veröffentlicht werden; in den USA ist die "manager to worker pay ratio" seit Jahresbeginn Pflicht. Die Leistung eines Vorstandsmitglieds, so die AK, müsse auch anhand nichtfinanzieller Gesichtspunkte bewertet werden, etwa der Schaffung von Jobs oder Diversität.

Österreichs börsennotierte Leitbetriebe machen nach wie vor ein großes Geheimnis aus den Gagen ihrer Vorstände, kritisiert der europäische Unternehmensberater Hkp, der alljährlich ein Vergütungsranking erstellt. Von 2015 auf 2016 sank die durchschnittliche Vergütung der ATX-Vorstandschefs von 2,2 Millionen auf knapp 1,6 Millionen Euro, aber nur wegen der vielen Vorstandswechsel.

Für die elf Vorstandsvorsitzenden, die bereits 2015 ganzjährig im Amt waren, blieb die durchschnittliche Vergütung bei rund 1,9 Millionen Euro konstant. Gagenkaiser war laut der Hkp-Auflistung im Vorjahr der Ende November 2016 aus Krankheitsgründen ausgeschiedene RHI-Chef Franz Struzl, der auf 3,8 Millionen Euro kam. Ein großer Teil (fast 1,8 Millionen Euro) entfiel auf die Abfindung.

Leitner vorne

Topverdiener waren Andritz-Chef Wolfgang Leitner (3,5 Millionen Euro), OMV-Boss Rainer Seele (fast 3 Millionen Euro), Wienerberger-Chef Heimo Scheuch (2,6 Millionen Euro) und Erste-Boss Andreas Treichl (2,6 Millionen Euro). Über dem ATX-Schnitt waren auch Voest-Chef Wolfgang Eder (2,5 Millionen) und Post-Chef Georg Pölzl (2,4 Millionen Euro).

Die Telekom Austria ist in dem Ranking nicht enthalten, weil sie die Zahlen noch nicht publiziert hat; auch bezieht sich die Hkp-Erhebung auf die Zusammensetzung des ATX zum Jahresende 2016. Im März 2017 hat zum Beispiel der Flughafen Wien den Caterer Do & Co im Wiener Leitindex ersetzt.

Stochern im Nebel

Hkp-Partner Michael Kramarsch kritisierte die mangelnde Transparenz der österreichischen Vergütungsberichte. Diese zu lesen gleiche dem Stochern im Nebel. "Österreichische Unternehmen halten sich zwar an die österreichischen Transparenzvorschriften. Die sind aber im internationalen Vergleich ungenügend."

Wie die Arbeiterkammer setzt auch der Hkp-Partner Hoffnung auf die neue Aktionärsrechterichtlinie, die kürzlich im EU-Parlament verabschiedet worden ist und in Österreich binnen zwei Jahren in nationales Recht umgesetzt werden muss. "Das Thema Vorstandsvergütung wird sich dadurch in Österreich dramatisch verändern", so Kramarsch.

Unklare Boni

In Österreich haben im Gegensatz zu fast allen anderen europäischen Ländern die Aktionäre bei der Vorstandsvergütung nichts mitzureden. Und mit der Mitsprache der Anteilshaber sei unweigerlich Transparenz seitens des Unternehmens verbunden. "Als Aktionär kann ich nur über etwas abstimmen, was ich im Detail kenne", so Kramarsch. Derzeit weisen die heimischen Unternehmen nicht ordentlich aus, wie sich die variablen und sonstigen Gehaltsbestandteile zusammensetzen, auch ist nicht immer klar, auf welches Jahr sich Boni beziehen.

"Was mir ein Anliegen ist: Wenn man von Gagenkaisern spricht, sind nicht die Kaiser an den Gagen schuld, sondern diejenigen, die die Verträge mit den Kaisern machen", so Kramarsch. Zu kritisieren seien also die Aufsichtsräte. Diese wiederum sollten aus der Sicht des Beraters unabhängig vom Vorstand und vor allem viel transparenter agieren – dann könne man die Kontrollore fundiert kritisieren.

Schere zwischen Vergütung und Performance

Die Managergagen haben in Österreich mit dem Unternehmenserfolg nicht allzu viel zu tun, sagt auch Kramarsch. "Über die letzten Jahre ist die Vergütung der Unternehmensperformance enteilt." Die Delle 2016 ist für den Experten noch keine Trendwende, sondern eher darauf zurückzuführen, dass bei einigen neuen Vorständen Boni noch nicht miteingerechnet werden konnten. Von 2012 bis 2015 ist die Schere zwischen Performance und Vergütung kontinuierlich aufgegangen, hat Hkp errechnet. Als Performance versteht der Berater eine Kombination aus Umsatz, Marktkapitalisierung, Gewinn nach Steuern und Dividende.

Das Argument, dass österreichische Vorstände im internationalen Vergleich wenig verdienten, lässt Kramarsch übrigens nicht gelten. Man könne ja ATX-Unternehmen nicht mit Dax-Konzernen vergleichen, sondern lediglich mit ungefähr gleich großen Unternehmen, zum Beispiel der zweiten und dritten Reihe der börsennotierten Firmen Deutschlands (MDax und SDax). Die MDax- und SDax-Vorstände verdienten "nicht dramatisch" mehr als die Österreicher. "Mir ist noch keine Auswanderungswelle österreichischer Vorstände bekanntgeworden", sagte Kramarsch. (red, APA, 27.4.2017)