Der promovierte Künstler und Psychologe Wolfgang Zinggl, 62, will noch einmal fünf Jahre Parlament anhängen. Sein neues Angriffsfeld: Bauwirtschaft und Probleme beim Denkmalschutz.


Foto: Matthias Cremer

Wien – Sein Weg in die Politik führte über die Kunst. Wochenklausur nannte sich jene Gruppe, mit der Wolfgang Zinggl ab den 1990er-Jahren sozialpolitisch aktiv wurde. SPÖ-Kulturminister Rudolf Scholten gefiel das. Er holte ihn 1997 als Bundeskurator für bildende Kunst in den Staatsdienst. "Dort wird man automatisch noch stärker politisiert, weil man mitbekommt, wo überall Defizite bestehen", sagt Zinggl, 62, heute.

2000 kam Schwarz-Blau. "Da habe ich beschlossen, mich politisch reinzuhängen." Die Grünen baten ihn, ein Kulturprogramm für die Partei zu verfassen. Die Eckpunkte? "Diversität als Faktum der Kulturpolitik begreifen. Wir leben multikulturell, nicht nur ethnisch, sondern auch sozial – Punks und Banker nebeneinander. Weiters: Korruptionsbekämpfung und Umverteilung von den Großen zu den Kleineren." 2004 gelang Zinggl mit den Grünen der Einzug ins Parlament.

Als aktivster oppositioneller Kultursprecher schaute er dort insgesamt vier Kulturministern auf die Finger, bohrte nach, brachte Vorschläge ein. Am "ignorantesten" sei Elisabeth Gehrer (ÖVP-Ministerin von 1995 bis 2007) gewesen, sagt Zinggl rückblickend.

Kampf gegen Korruption

Was ist ihm gelungen? "Auch wenn vielleicht manche sagen: 'Grauslich, so ein Unsympathler' – bei der Korruptionsbekämpfung ist viel weitergegangen. Das ist heute auf einem anderen Niveau. Wir haben mittlerweile fast überall gute Compliance-Richtlinien und Kontrollmechanismen. Und das ist nur passiert, weil wir einige Dinge aufgedeckt haben."

Aber auch die soziale Absicherung der Künstler habe man durch Druck auf die Regierung verbessern können. Überhaupt seien von der SPÖ immer wieder Vorschläge übernommen worden, etwa im aktuell in Minister Drozdas Schublade liegenden Reformpapier zu den Bundesmuseen. "Das wird hoffentlich umgesetzt", so Zinggl, "aber mit einem Regierungswechsel wird oft ein neues Papier beauftragt, und wieder fließt Steuergeld."

"Manchmal ist Oppositionspolitik kein Bohren dicker Bretter, sondern ein Bohren dicker chinesischer Betonmauern", meint Zinggl. Gescheitert sei er etwa mit seiner Idee eines Hauses der Kulturen, wofür er das bald wiedereröffnende Weltmuseum mit dem dahindarbenden Volkskundemuseum fusionieren würde. "Das Wichtigste wäre aber, das Weltmuseum wieder aus dem Dachverband Kunsthistorisches Museum herauszulösen. Eine schwere kulturpolitische Sünde aus der Ära Gehrer, die nur erfolgt ist, weil KHM-Chef Seipel mehr Subvention für sein Haus gebraucht hat."

Spaltpilz Heumarktturm

Ein Sündenfall ist für Wolfgang Zinggl auch das von der Wiener Grünen-Chefin Maria Vassilakou gegen vehemente Widerstände durchgeboxte Hochhausprojekt am Wiener Heumarkt, weswegen die Hauptstadt auf die rote Liste des bedrohten Unesco-Weltkulturerbes gesetzt wurde. Eine von Zinggl mitinitiierte Urabstimmung bei den Grünen ging mit knapper Mehrheit gegen den Bau aus. Für seine Kritik an der rot-grünen Stadtregierung ist er am Parteitag mit einem Listenplatz an unwählbarer Stelle abgestraft worden. Kollege Peter Pilz bekam ebenfalls nicht die Zustimmung, die er sich erhofft hatte. Es folgte der Bruch und der Alleingang als Liste Pilz.

Zunehmend seien grüne Selbstverständlichkeiten durch "Regierungsdealerei" abgelöst worden. "Beim Heumarkt wurde meiner Meinung nach auf das Welterbe spekuliert. Das ist weltweit einzigartig und könnte Schule machen." Österreich habe hier "eine böse Vorreiterrolle übernommen", kritisiert Zinggl. "Die Bundespartei hat zum Heumarkt keine Stellung bezogen. Das habe ich sehr bedauert. Ich will jetzt aber keine Schmutzwäsche waschen. Denn es gibt bei den Grünen auch viele Leute, die gut arbeiten und meinen Abgang bedauern. "

Denkmalschutz und Bauwirtschaft

Wie geht es weiter? "Mit dem Themenkomplex Heumarkt, Bauwirtschaft und den Problemen beim Denkmalschutz hat sich für mich ein zusätzlicher Schwerpunkt ergeben. Hier passiert vieles, das nicht in Ordnung ist." Auch Altbekanntes will Zinggl weiterverfolgen. Der Kampf für freie Eintritte in die Bundesmuseen stehe dabei ganz oben. Alle Kulturagenden des Bundes würde er in einem einzigen Ressort bündeln wollen: Zu Kunst und Medien kämen dann auch die Auslandskultur (Außenministerium), das Heeresgeschichtliche Museum (Verteidigungsministerium) oder die in anderen Ressorts angesiedelten kulturwirtschaftlichen Betriebe dazu. "Auch Integration oder das gerade angedachte Kultusgebiet könnte man dazunehmen", so Zinggl.

Bei immer wieder diskutierten Valorisierungen von Subventionen (automatische Inflationsanpassung) warnt Zinggl vor Rosinenpickerei: "Wenn, dann sollte man den Gesamtkuchen valorisieren. Wenn man aber nur die staatlichen Einrichtungen anpasst und die anderen Subventionsempfänger nicht, dann geht die Schere noch weiter auseinander." Wichtig sei Zinggl auch weiterhin "Arbeit hinter den Kulissen", wie er sagt. Bei Ministern und Sektionschefs habe er oft im Stillen mehr erreicht als mit viel Mediengetöse: "Das ist wie beim Theater".

Die Chancen für seinen Wiedereinzug ins Parlament – Zinggl kandidiert in Wien auf Listenplatz zwei – schätzt er als "sehr gut" ein. "Es wäre auch definitiv meine letzte Legislaturperiode", versichert er. (Stefan Weiss, 30.8.2017)