Nach ersten Erkenntnissen von Polizei und Heer dürfte es im Vorfeld keinen Streit zwischen den beiden Soldaten gegeben haben.

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Wien – Am Tag nach dem tödlichen Kopfschuss auf einen 20-jährigen Rekruten in der Wiener Albrechtskaserne wurde der Schütze, ein 22-jähriger Soldat aus Salzburg, einvernommen. Die Befragung begann am späteren Vormittag in Anwesenheit seines Anwalts. Polizeisprecher Patrick Maierhofer rechnete damit, dass die Einvernahme "bis in die Abend- und Nachtstunden dauern" wird, sagte er dem STANDARD. Entgegen anderslautenden Medienberichten zeigte sich der 22-Jährige vorerst kooperativ. "Er redet bei der Einvernahme normal", sagte Maierhofer.

Fest steht, dass der 22-Jährige Montagmittag gemeinsam mit dem 20-jährigen Rekruten sowie dem Wachkommandanten einen 24-Stunden-Dienst im Wachcontainer der Kaserne in Wien-Leopoldstadt angetreten hat. Kurz nach 19 Uhr fiel im Ruheraum des Wachcontainers der tödliche Schuss.

Waffe muss halb geladen getragen werden

Der Wachkommandant, der einzige unbeteiligte Zeuge, stand zum Zeitpunkt des Vorfalls im vorderen Teil des Raums. Er konnte nur beobachten, wie der 22-Jährige – sein Stellvertreter als Wachkommandant – zum Rekruten in den Ruheraum ging. Danach hörte er, mit dem Rücken zu den beiden Kollegen stehend, den Schuss. Die alarmierte Berufsrettung konnte dem 20-Jährigen nicht mehr helfen.

"Sehr dubios" gestaltet sich für Polizeisprecher Maierhofer die Sicherungsmaßnahme bei der Tatwaffe, einem Sturmgewehr (StG) 77 des österreichischen Bundesheers. Laut Verteidigungsministerium haben die Wachsoldaten die Verpflichtung, die Waffe halb geladen bei sich zu tragen.

Das Magazin mit der Munition ist dabei angesteckt, es befindet sich aber keine Patrone im Laderaum. Folglich kann auch kein Schuss abgefeuert werden. Um einen Schuss abgeben zu können, muss aktiv repetiert und die Waffe entsichert werden. Ob der 22-Jährige oder – was äußerst unwahrscheinlich ist – jemand anderer am Montagabend diese Handlungen gesetzt hat, ist Gegenstand der Untersuchungen.

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Der Grund für die Schussabgabe war vorerst unklar. Dass aber die Waffe davor repetiert und entsichert wurde, stehe fest, sagte Bundesheer-Sprecher Michael Bauer. "Das kann nicht anders sein", sagte er dem STANDARD. Damit sei gegen militärische Disziplinarvorschriften verstoßen worden. Die Frage sei, ob "vorsätzlich oder fahrlässig" gehandelt wurde.

Kein Streit zwischen den Kameraden

Am Montag wurde die Spurensicherung fortgesetzt. Laut Polizei standen auch zusätzliche Vernehmungen von Bediensteten des Heeres auf der Agenda. Nach ersten Erkenntnissen von Polizei und Heer dürfte es im Vorfeld aber keinen Streit zwischen den beiden Soldaten gegeben haben.

Der 22-jährige Schütze wurde laut Bundesheer zwei Monate lang zum Wachkommandanten ausgebildet. Dessen Ausbildner zeigte sich nach der tödlichen Schussabgabe betroffen. Er sei der "beste Soldat, den er in den letzten Jahren hatte", sagte Bauer.

Toter Rekrut in Horn: Warten auf Gutachten

Die Schussabgabe war bereits der zweite tödliche Zwischenfall beim Heer in diesem Jahr. Anfang August starb ein 19-jähriger Rekrut im Rahmen eines Marschs bei großer Hitze. Ein noch ausständiges gerichtsmedizinisches Gutachten soll nach Informationen des STANDARD in Kürze vorliegen. Eine entsprechende Frist läuft am 12. Oktober ab.

Die Tageszeitung "Kurier" berichtete in einer Vorausmeldung am Dienstagabend, dass der Erschossene und der im August nach einem Marsch in Niederösterreich verstorbene Rekrut "gute Freunde" gewesen seien. Er sei nach dem Kollaps des Freundes sogar im Krankenwagen mitgefahren und habe mitansehen müssen, wie der Soldat starb. Heeressprecher Bauer bestätigte der APA: "Beide waren in Horn in der gleichen Kompanie." (David Krutzler, 10.10.2017)