Alexander Geringer, Verleger von "Home", "Flair", "Domus".

Foto: Pablo Castagnola

Wien – "Österreich"-Verleger Wolfgang Fellner hinterfragt gerade die Media-Analyse (MA) und droht mit Austritt, seit die große Reichweitenstudie seiner Zeitung zuletzt sinkende Werte attestiert hat.

Alexander Geringer (51), Verleger von "Home", "Flair", "Domus" prozessiert seit Jahrzehnten mit der Media-Analyse. Geringer streitet über Reichweiten konkurrierender Wohnmagazine, die in keinem Verhältnis zu deren Auflagen stünden. Das Handelsgericht Wien entschied nun, die Media-Analyse müsse ihre Daten mit dem Warnhinweis versehen, dass sie "grob" von den tatsächlichen Werten abweichen können.

Die Media-Analyse hat gegen die Entscheidung berufen. Sie basiere auf einer Umfrage bei nur 41 Kunden, selbst die sie durchführende Gutachterin schreibe von "statistisch nicht gesicherten Ergebnissen" wegen der geringen Fallzahl.

Und die MA argumentiert: Die Wahrscheinlichkeit "grober" Abweichungen von Reichweiten – etwa real 2,5 Prozent statt ausgewiesener 3,5 und weit außerhalb der in der MA ausgeschilderten Schwankungsbreite – liege bei 0,00000000000000x; jene für Lottosechser bei sechs Nullen nach dem Komma. Magazinverleger Geringer nennt die 14 Nachkommastellen "völligen Schwachsinn: So weit von der Wahrheit entfernt wie dieser Ausspruch liegt nicht einmal die wüsteste MA-Zahl."

STANDARD: Sie streiten und prozessieren seit – man kann schon sagen: – Jahrzehnten mit dem Trägerverein der Media-Analyse. Worum geht’s Ihnen da eigentlich?

Geringer: Es geht um fairen Wettbewerb und es geht darum, dass die Werbewirtschaft weiß, wenn Sie einen Euro ausgibt, was sie wirklich dafür bekommt. Die MA allein als endgültige, alleinige und harte Wahrheit zu betrachten, ist falsch. Denn ein Exemplar, dass von 20 und mehr Menschen gelesen wird, ist nicht real. Und andersrum gefragt: Was hat eigentlich die MA davon, dem Benutzer Ihrer Daten jahrzehntelang zu verschweigen, dass die Ergebnisse ausserhalb der Schwankungsbreite liegen und grob von der Wirklichkeit abweichen können?

STANDARD: Das Handelsgericht Wien hat der Media-Analyse gerade auf Ihren Antrag hin aufgetragen, ihre Reichweitendaten nur mit einem Warnhinweis zu veröffentlichen, es sei auch möglich, dass die tatsächlichen Werte "grob" von den veröffentlichten Daten abweichen. Erfüllt so ein Hinweis Ihre Erwartungen?

Geringer: Die MA-Zahlen sind in diesem Fall irreführend. Das soll und muss man wissen. Ein ordentlicher Hinweis ist das Mindeste.

STANDARD: Die Media-Analyse-Träger halten dem entgegen: Es sei das Grundprinzip von Meinungsforschung, dass die Daten mit der höchsten Wahrscheinlichkeit (hier von 95 Prozent) ausgewiesen werden, darauf weise die MA auch hin.

Geringer: Auch hier bei dieser Entgegnung ist die MA und ihr Präsident irreführend. Es geht gar nicht um Ergebnisse die zu 95 Prozent und mehr wahrscheinlich sind. Die Zahlen der MA sind absolut unüberprüfbar. Es gibt keine Sicherheit oder höchste Wahrscheinlichkeit, dass die tatsächlichen Leserzahlen auch innerhalb der von der MA ausgewiesenen Schwankungsbreiten liegen und nicht eklatant zu den veröffentlichten Zahlen abweichen. Darüber muss die MA informieren.

STANDARD: Die Entscheidung des Handelsgerichts verweist auf eine Umfrage bei 41 Kunden Ihres Verlags. Für diese Umfrage müssten doch die Einschränkungen und Warnhinweise gelten – und bei dieser kleinen Stichprobe umso mehr als für eine Stichprobe von 15.000 Interviews wie die Media-Analyse, auf die das Gericht aus den 41 Interviews schließt?

Geringer: Vor dem Urteilsspruch hatte die MA maßgeblich die Fragen für die Umfrage mitgestaltet und kein Problem mit dem Gutachten gehabt. Sie wusste wer befragt wird. Die 41 Befragten sind rund 25 Prozent der inländischen Schaltkunden. Von so einer grossen Stichprobe kann Präsident Hanusch von der MA nur träumen, denn seine 15.000 Interviews sind gerade mal 0,2% der Gesamtmenge. Und hier auch deutlich zu sein: Bei diesem zweiten Gutachten ging es nur darum, ob es Kunden gibt, die Geld ausgeben, weil Sie die MA Zahlen für absolut richtig halten. Und hier gibt es genug und jeder Einzelne muss hier beschützt und informiert werden.

STANDARD: Der Trägerverein der Media-Analyse erklärt, dass die Wahrscheinlichkeit von groben Abweichungen bei der 14. Kommastelle unter Null liegt (wenn ich das richtig verstanden habe) – sind solche Warnhinweise dann nötig?

Geringer: Das ist völliger Schwachsinn. So weit von der Wahrheit entfernt wie dieser Ausspruch liegt nicht einmal die wüsteste MA-Zahl.

STANDARD: Die Entscheidung räumt auf der Basis von Gutachten auch ein, dass an der Erhebungsmethode der Media-Analyse methodisch nichts auszusetzen wäre. Müssten dann nicht auch alle anderen Umfragen – also etwa zu Wahlen – mit meist weit weniger Befragten nach dem Urteil einen Warnhinweis bekommen?

Geringer: Wenn man wie die Anzeigenkunden Geld für das Wählen zahlen müsste oder die Sitze nach Umfragen verteilt werden, wäre das eine Überlegung wert.

STANDARD: Der Trägerverein der Media-Analyse hat Berufung gegen die Entscheidung über den Warnhinweis angekündigt, nötigenfalls bis wieder einmal bis zum Obersten Gerichtshof. Wie ließe sich der Rechtsstreit denn aus Ihrer Sicht sinnvoll abschließen – und in wievielen Jahrzehnten?

Geringer: Das Traurige ist nicht, wie lange das Verfahren dauert. Traurig ist, dass sich die Marktforscher und der MA-Vorstand Ihrer Verantwortung und Ihrer Verpflichtung zu umfassenden Offenlegung aller wesentlichen Informationen, die die Ergebnisse betreffen, jahrzehntelang nicht bewusst sind. Ich würde etwa nicht von einem Arzt behandelt werden wollen, der so sorglos zu Diagnosen kommt. (fid, 27.10.2017)