Fast jeder österreichische Amazon-Kunde kennt das Problem: Man will ein neues Produkt erwerben, sucht danach, stellt unterschiedlichste Filter ein und checkt die verschiedenen Preisklassen. Nach längerer Recherche glaubt man dann, zwei, drei Produkte gefunden zu haben, die interessant sein könnten und klickt sie an – nur, um in roter Schrift informiert zu werden: "Dieser Artikel kann nicht nach Österreich geliefert werden."
Unterschiedliche Farben
Noch dazu scheint es, als würde die ausgeschiedene Ware oft willkürlich ausgesucht werden: Will man etwa ein Kleid in Schwarz bestellen, geht das problemlos. Entscheidet man sich aber für die Farboption "Schwarz Beige", die gleich viel kostet und von demselben Händler – in diesem Falle "kayamiya" – angeboten wird, ist das hierzulande doch nicht möglich.
Gibt es etwa, wie bei dem Beispiel unten, eine große Auswahl an Farben, muss man sich als österreichischer Nutzer mühsam durch jede einzelne klicken, um zu erfahren, welche geliefert wird und welche nicht. Einen Grund für diese Umstände findet man auf Amazons Hilfeseiten nicht.
Geoblocking-Regelung ändert wenig
Onlineshopping auf Plattformen wie Amazon – international einem der größten Online-Marktplätze – ist inzwischen ein essentieller Teil des Kaufverhaltens geworden. 2017 kauften Studien zufolge 62 Prozent aller Österreicher online ein. Dem ist sich auch die EU bewusst, die den Internethandel innerhalb der Union mit einer neuen Verordnung vereinfachen will: Konkret müssen Händler innerhalb der EU – also nicht etwa chinesische Händler auf Amazon – Kunden gleich behandeln, egal, aus welchem EU-Land sie kommen. Geoblocking soll somit abgeschafft werden.
Zumindest ist das der Gedanke dahinter – praktisch ist wohl keine Änderung zu erwarten, die ebendiese Problematik löst, wie Daniela Zimmer, Rechtsexpertin der Arbeiterkammer Wien, dem STANDARD erklärt. Es gebe nämlich drei große Lücken.
1. Lieferung ist nicht verpflichtend
Zum einen steht in dieser Verordnung, dass der Anbieter zwar verpflichtet sei, seine Ware zu verkaufen und zur Abholung zur Verfügung zu stellen, liefern muss er allerdings nicht. "Das ist nicht der klassische Onlinekauf, bei dem sich viele Verbraucher eine Klarstellung erhofft haben", sagt Zimmer. Alternativ kann der Käufer zwar einen Transport organisieren, allerdings wäre er dann selber für die Haftung zuständig, wenn es zu Schwierigkeiten kommt. Ist die Lieferung inbegriffen, müsste der Händler dafür sorgen, dass die Ware unbescholten ankommt. Verbraucher müssen künftig in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) nachschauen, ob in das eigene Land geliefert wird.
2. Diskriminierungen wohl noch möglich
Eine preisliche Differenz wird auch weiterhin möglich sein – es darf zwar nicht aus Gründen der Staatsbürgerschaft oder des Wohnsitzes diskriminiert werden, allerdings darf es wohl aufgrund von beispielsweise Werbeaktionen eigene Bedingungen auf nationaler oder regionaler Ebene geben. "Würde der Preis in Spanien also anders sein als in Deutschland und würde ein Unternehmen argumentieren, dass es sich um eine Marketingmaßnahme handle, um den Absatz dort zu stärken, wäre das legitim", so Zimmer.
3. Zuständigkeitsfrage ungeklärt
Auch bleibt ungeklärt, welches Recht bei einem grenzüberschreitenden Handel anwendbar ist. "In der Verordnung steht, dass allein das Erfüllen der Verordnung nicht bedeutet, dass man als Händler Aktivitäten (freiwillig) auf das jeweilige Land, an welches man verkauft, ausrichtet." Somit bleibt unklar, welches Verbraucherrecht anzuwenden ist – jenes am Sitz des Verbrauchers oder des Händlers.
"Für den Konsumenten bleibt letztendlich nicht viel über. Es ist sehr eingeschränkt, wann so ein Gleichbehandlungsgebot gilt und sehr klar formuliert ist es auch nicht. Das eigentliche Ziel dieser Maßnahme ist glatt verfehlt worden", konkludiert Zimmer.
Was das bei Amazon bedeutet
Im Falle von Amazons Lieferunmöglichkeiten nach Österreich bedeutet die neue Verordnung nach dieser Interpretation also, dass das Unternehmen wohl weiterhin bestimmte Produkte nicht liefern muss. Allerdings müsse in den AGB, "jenseits jeder Verständlichkeit", vermerkt sein, welche Waren und Warenvariationen nach Österreich geliefert werden und welche nicht. Auch müsste Amazon – beziehungsweise die Händler auf der Plattform – eine Möglichkeit bieten, selbst eine Abholung der Ware zu organisieren, sofern nicht geliefert wird. Allerdings betont Zimmer: "Das sind unsere Interpretationen eines schwer verständlichen Textes, letztliche Klarheit wird nur der EuGH bringen können."
Und was sagt Amazon?
Offen bleibt auch die Frage: Wieso bleibt der österreichischen Kundschaft auf Amazon überhaupt so viel von dem Angebot verwehrt – speziell bei unterschiedlichen Produktvariationen wie jenen in den obigen Screenshots?
Der STANDARD hat bei Amazon nachgefragt, eine klare Antwort darauf hatte das Unternehmen jedoch nicht. Nach mehrfacher Nachfrage wurde von einer Sprecherin auf Amazons Hilfeseite verwiesen und angemerkt, dass es "in Einzelfällen aufgrund von Ausfuhrbeschränkungen dazu kommen kann, dass Artikel nicht bestellbar sind, wie zum Beispiel Spirituosen". Eine Lösung wie etwa ein Filter, der nicht lieferbare Produkte bei der Suche ausblendet, sei auch nicht angekündigt worden. Bei Amazon-Marketplace-Artikeln – also Artikeln, die nicht von Amazon selbst verkauft werden- liege es im Ermessen der Händler, in welche Länder geliefert wird.
Offenbar sieht man die Tatsache, dass es Artikel gibt, bei denen sich etwa bloß die Farbe unterscheidet, diese aber trotzdem zum Teil nach Österreich geliefert werden und zum Teil nicht, nicht als Problem an. Amazon wollte das nicht weiter kommentieren. (muz, 18.2.2018)