In Wien findet derzeit ein großer wissenschaftlich-politischer Kongress mit dem Titel "An End to Antisemitism" mit zahlreichen prominenten Teilnehmern statt. Denen muss man Folgendes erklären: In Österreich gibt es eine von Ex-Nazis für Ex-Nazis gegründete Partei, deren Führer und mittlere Funktionäre immer wieder antisemitisch auffällig geworden sind. Leider poppen auch weiter antisemitische Texte, etwa in Burschenschafts-Liederbüchern, auf. Seit kurzem verurteilt die Führung dieser Partei, der FPÖ, jeden Antisemitismus, bemüht sich um die rechte Regierung in Jerusalem, unterstützt extrem rechte israelische Siedler im besetzten Westjordanland und empfängt einen ultrarechten israelischen Likud-Abgeordneten, der den dritten Tempel in Jerusalem (an der Stelle der muslimischen Heiligtümer) errichten will.

Das Hauptmotiv für den neuen Philosemitismus der Rechten ist natürlich der als gemeinsamer Feind empfundene Islam. Die FPÖ ist da nicht allein: Rechtspopulisten vom Niederländer Geert Wilders bis Frankreichs Marine Le Pen versuchen eine Annäherung an die jüdische Bevölkerung und an Israel – so wie die FPÖ und mit ähnlich bescheidenem Erfolg. Ob man den Antisemitismus unter Muslimen erfolgreich bekämpft, indem man die israelische Besatzungspolitik bedingungslos unterstützt, ist eine andere Frage.

Aber selbstverständlich gibt es nach wie vor massiven Antisemitismus in Europa, und er teilt sich in drei Hauptströmungen: Da wäre erstens der "traditionelle" Antisemitismus der extremen Rechten, der zwar stark zurückgedrängt ist, aber etwa durch Viktor Orbán, der eine massive Lügenkampagne gegen den Financier und Mäzen George Soros betreibt, eine Renaissance erlebt. Dann der "antiimperialistische" Antisemitismus und Antiisraelismus der extremen Linken, der Israel als Kolonialmacht sieht. Und schließlich der muslimische Antisemitismus im Nahen Osten und in Europa, derzeit wahrscheinlich der gefährlichste.

Einer der prominentesten Teilnehmer an der Wiener Antisemitismus-Kongress ist der Präsident der Konferenz der französischen Imame, Hassen Chalgoumi. Auf dem Podium und im Gespräch mit dem STANDARD zeigt sich der Imam aus dem Pariser Vorort Drancy, der für ein Komplettverbot der Burka, für Frauenbefreiung und für Solidarität mit den jüdischen Opfern islamistischer Terroranschläge eintritt, zugleich pragmatisch und hart: Man müsse die schweigende Mehrheit der muslimischen Immigranten gewinnen, indem man als Mehrheitsgesellschaft mit ihnen und nicht über sie redet; gleichzeitig müsse man rigoros die Finanzierung islamistischer Umtriebe in Europa durch Länder wie Katar, Saudi-Arabien und den Iran unterbinden: "Es ist schon sehr spät, wir haben die Gefahr zu lange nicht bemerkt."

An End to Antisemitism? Man kann dieses Phänomen nur eindämmen, niemals ganz besiegen, weil es einem Urbedürfnis der Menschen entspricht: für die eigene – tatsächlich oder eingebildete – unangenehme Lage einen Sündenbock zu finden.

Es wird auch weiter Antisemitismus unter Muslimen geben, wenn Israel seine verhängnisvolle Besatzungspolitik ändern sollte, was aber nicht heißt, dass es sie weiterführen oder gar radikalisieren sollte. Antisemitismus wird es immer geben – entscheidend ist, dass man ihn nicht kampflos gewähren lässt. (Hans Rauscher, 20.2.2018)