Deutsche Journalisten: Kurz soll FPÖ-Attacken auf ORF stoppen
Anne Will, Maybrit Illner, Marietta Slomka, Frank Plasberg, Ulrich Wickert und Nikolaus Brender richten Appell an den Kanzler – Regierungssprecher weist Kritik zurück
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Berlin – Journalisten des deutschen öffentlich-rechtlichen Rundfunks fordern Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) in einem offenen Brief zum Handeln auf. Sie verurteilen darin die Angriffe von FPÖ-Politikern auf Journalisten, insbesondere das Facebook-Posting von Vizekanzler Heinz-Christian-Strache (FPÖ), in dem er "ZiB 2"-Anchorman Armin Wolf der Lüge bezichtigte.
Nikolaus Brender, ehemaliger Chefredakteur des ZDF, bestätigt das auf 28. Februar datierte Schreiben auf STANDARD-Anfrage. "Mit großer Sorge" beobachte man die Angriffe von FPÖ-Politikern auf Journalisten und den ORF. Man sei "bestürzt" darüber, dass Strache Wolf und "hunderte Journalistinnen und Journalisten des ORF als Propagandisten und Produzenten von Falschmeldungen" verleumde.
Straches Verhalten gleicht ungarischer und polnischer Regierung
Besonders Straches Facebook-Posting verletze "die Grenzen politischen Anstands im Umgang mit freier Presse und unabhängigen Medien". Es erinnert die Unterzeichner an die Methoden der Regierungen Ungarns und Polens, die durch "Druck und Diffamierung die Unabhängigkeit der öffentlich-rechtlichen Fernsehanstalten" einschränkten.
Die Unterzeichner hoffen, dass es einen Ort gebe, an dem den Attacken Einhalt geboten wird. "Vielleicht ist dieser Ort ja das Bundeskanzleramt am Ballhausplatz", schreiben die deutschen Journalisten. Kurz habe sich durch seine Interviews und die Teilnahme an Fernsehdiskussionen "mit offenen Worten" schließlich einen Namen gemacht. Umso mehr verwundert die Unterzeichner dessen Zurückhaltung.
Auf STANDARD-Anfrage weist Regierungssprecher Peter Launsky-Tieffenthal "deutlich zurück, Österreich sei ein Land, in dem die Pressefreiheit gefährdet sei." Es herrsche "uneingeschränkt Presse- und Meinungsfreiheit", man sei jederzeit bereit für eine "Debatte über Stil, Sachlichkeit und politische Kultur", über die man "trefflich und demokratisch" diskutieren könne. Bundeskanzler Sebastian Kurz wollte sich zu dem Schreiben vorerst nicht äußern. (red, 1.3.2018)
Der offene Brief im Wortlaut:
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