Immer mehr aus der Bevölkerung sehen Handlungsbedarf, auch an allen anderen Tagen. Frauentagsblues hin oder her.

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Der Frauentag nervt praktisch alle. Die einen sind von den immer selben schlechten Nachrichten genervt, die anderen davon, dass am Frauentag ständig auf Probleme hingewiesen wird, die doch grosso modo gelöst seien. 38 Prozent weniger Lohn für Frauen? Ist doch wegen der Teilzeit, und die ist wohl eine freie Entscheidung. Unterrepräsentiert in Chefetagen? Frauen wollen halt nicht 80 Stunden die Woche im Büro sitzen. Frauen sind weit häufiger Opfer von sexuellen Übergriffen? Hätte sie halt deutlicher Nein gesagt. Diskriminierung am Frauentag anprangern? Es wird eh über nichts anderes geredet, siehe #MeToo!

Zivilbevölkerung gegen Politik

Die schlechten Nachrichten sind tatsächlich dieselben, auch an diesem Frauentag. Trotzdem findet der diesjährige Frauentag unter besonderen Vorzeichen statt. Das Engagement und Interesse der Zivilbevölkerung für Frauenpolitik ist zweifelsohne größer geworden, während gleichzeitig auf der anderen Seite die Politik wenig Handlungsbedarf sieht. Bald wird in Österreich ein Frauenvolksbegehren starten, das bereits über 200.000 Unterstützungserklärungen hat, ein Frauenvolksbegehren, das die amtierende Frauenministerin – wie auch ihre Regierungskolleginnen – nicht unterschreiben wird.

Juliane Bogner-Strauß setzt auf frauenpolitischen Minimalismus: das Budget für das Frauenressort halten und Gewaltprävention als zentrales Thema, das war es dann aber im Wesentlichen. Wobei Bogner-Strauß den Familienbonus auch als frauenpolitischen Erfolg bewirbt. Dabei kommt dieser steuerliche Absetzbetrag vor allem höheren Einkommen zugute, während Alleinerziehende, zu 90 Prozent Frauen, gleichzeitig das höchste Armutsrisiko tragen. 24 Stunden sieben Tage die Woche Einsatzbereitschaft für die Kinder und einen – notgedrungen – Teilzeitjob in einer der schlecht bezahlten Frauenbranchen, in denen man schlicht nur deshalb wenig verdient, weil viele Frauen in ihnen arbeiten? So viel zum Leistungsgedanken der türkis-blauen Regierung und der wenig subtilen Botschaft, dass Sorgearbeit nichts wert ist.

Verknüpfung bestehender Problemfelder

Doch mit dem Frauenvolksbegehren regt sich Protest. Initiatorinnen und UnterzeichnerInnen haben verstanden, was nötig ist und was ein bisschen Frauenpolitik nach Vorschrift sicher nicht leisten kann: eine Verknüpfung bestehender Problemfelder für Frauen, die die Symptome jahrtausendelanger Unterdrückung ständig nachliefern. Sie thematisieren sexistische Frauenbilder ebenso wie Armutsbekämpfung oder die vielgescholtene, weil "realitätsferne" 30-Stunden-Erwerbsarbeit pro Woche für alle, die im Übrigen für jede zweite Frau in Teilzeit sehr viel mit der Realität zu tun hat, inklusive aller Nachteile. Während sich durch #MeToo bei der sexuellen Selbstbestimmung endlich etwas bewegen könnte, tut sich etwa bei der ungleichen Verteilung von Sorge- und Erwerbsarbeit wenig. Das einfach mit "freiwilligen Entscheidungen" abzutun wie jener vom Frauentag Genervte, der meint, gesetzliche Gleichstellung müsse doch mit faktischer Gleichstellung zusammenfallen, unterschätzt das schwere Erbe der strikten Rollen-, Fähigkeiten- und Kompetenzenverteilung qua Geschlecht und auch sozialer Herkunft gewaltig.

Fragen wir doch öfter einmal einen Mann nach seiner "freiwilligen Entscheidung", nur ein paar mickrige Tage nach der Geburt seines Kindes in die 80-Stunden-Woche im Büro zurückzurennen, warum er sich "freiwillig" nicht um sein krankes Kind kümmert und "freiwillig" keine Zeit für die gebrechlichen eigenen Eltern hat. Es ist also viel komplizierter. (Beate Hausbichler 7.3.2018)