Norbert Steger hat mehrere Fragen zu beantworten.

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Wien – Sechs ORF-Stiftungsräte aus den Bundesländern haben Fragen an den von der FPÖ entsandten Kollegen Norbert Steger, bevor der am Donnerstag zum Vorsitzenden des wichtigsten ORF-Gremiums gewählt wird. Sie haben Steger per Post eine Reihe von Fragen geschickt. Steger fiel zuletzt mit Aussagen über zu streichende ORF-Korrespondenten auf, wenn diese aus seiner Sicht nicht korrekt berichteten. Der Brief liegt dem STANDARD im Wortlaut vor.

Die Vertreter von Wien, dem Burgenland, Salzburg, Tirol, Vorarlberg und Kärnten fragen etwa nach Stegers "genereller Haltung zu Funktion, Strategie und Struktur des ORF"; nach seinem Amtsverständnis als Stiftungsratsvorsitzender und nach seinen Vorstellungen für die "strategische Ausrichtung des ORF", auch in Hinblick auf die "Stärkung der Landesstudios", sowie für die Finanzierungsbasis und für die gesetzlichen Rahmenbedingungen.

"Parteipolitisches Licht"

Angesichts Stegers Aussagen zu den ORF-Auslandskorrespondenten, die für gehörigen Wirbel gesorgt hatten, fragen die Landes-Stiftungsräte, ob Steger "in diesem Zusammenhang in den Medien richtig zitiert" wurde. "Es war bisher gute Tradition, dass sich die letzten Vorsitzenden medial zurückgehalten und wenn, nur sachlich und neutral im Sinne des ORF öffentlich geäußert haben", heißt es. Steger wird gefragt: "Können wir verlässlich davon ausgehen, dass Sie sich medial so wie Ihre Vorgänger mit öffentlichkeitswirksamen Aussagen zurückhalten, die den unabhängigen ORF und dessen Stiftungsrat in ein parteipolitisches Licht rücken könnten?"

"Transparente Besetzungen"

Und schließlich wollen die sechs Bundesland-Räte wissen, ob Steger "transparente Besetzungen" sicherstelle. Sie verweisen dabei auf die "Mindeststandards" für "Interessenskonflikte und Eigengeschäfte" unter anderem in der Geschäftsordnung des Stiftungsrats. Für den Vorsitzenden seien die Maßstäbe "höher anzusetzen, wenn es um die Besetzung von Posten mit nahestehenden Personen oder um Eigengeschäfte geht".

"Keine Sippenhaftung"

Hintergrund dieser Frage ist unter anderem, dass Stegers Schwiegersohn neu in den Publikumsrat eingezogen ist und einige Zeit seine Entsendung in den Stiftungsrat im Raum stand. Norbert Kettner, Vertreter von Wien und einer der Unterzeichner des Briefs, pochte in diesem Zusammenhang im APA-Gespräch auf Transparenz: "Sippenhaftung gibt es nicht, in keine Richtung – aber es muss transparent gemacht werden."

"Jedem eine Chance geben"

Der Zweck des Briefes sei, Steger Gelegenheit zu geben, seine Positionen darzulegen. "Ich finde, man muss jedem eine Chance geben, sich zu äußern", das sei nur "fair", sagte Kettner. "Vor so einer wichtigen Wahl ist die Meinungsbildung wichtig." Er persönlich habe indes schon "die Antworten auf einige Fragen gefunden", ergänzte er: "Der Stiftungsrat feuert keine Journalisten." Und als Stiftungsrat könne man auch nicht für eine Budgetfinanzierung des ORF eintreten. "Stellen Sie sich vor, in einer Situation wie dieser muss der Generaldirektor zum Finanzminister gehen und sein Budget verhandeln. Ich bin nicht bereit, den öffentlich-rechtlichen Rundfunk abzudrehen."

Dass die Vertreter von Niederösterreich, Oberösterreich und der Steiermark den Brief nicht unterzeichnet haben, liege an der internen Diskussion über die Form, in der die Fragen gestellt werden. "Die Mehrheit wollte sie schriftlich übermitteln", sagte Kettner. "Das Schreiben gilt für die sechs Unterzeichneten." Die "Interessenlage" zu regionalen Themen sei bei "allen ähnlich". (red, APA, 11.5.2018)

Die Fragen an Steger im Wortlaut

Fragen an Herrn Vizekanzler a.D. Dr. Norbert Steger anlässlich der möglichen Wahl zum Vorsitzenden des Stiftungsrats des Österreichischen Rundfunks am 17.5.20181.
1. Generelle Haltung zu Funktion, Strategie und Struktur des ORF
Aufgabe des Stiftungsrats ist die Überwachung und Unterstützung der Leitung bei Entscheidungen von grundlegender Bedeutung. Als Aufsichtsorgan kommen ihm und somit auch dem Vorsitzenden keine operativen Befugnisse zu (ORF-CGK 22). Der Vorsitzende steht im laufenden Kontakt mit dem GD, bereitet die Sitzungen vor, leitet diese und vertritt den Stiftungsrat nach außen.
Was sehen Sie bei einer Wahl zum Vorsitzenden des Stiftungsrats als Ihre Hauptaufgaben und wie gedenken Sie, diese Funktion konkret auszufüllen?
  • Die derzeitige ORF-Strategie lässt sich vereinfacht mit den Themen Ausbau der Digitalisierung und Stärkung der Regionalität umschreiben. Daraus abgeleitet stellt sich die Frage, welche künftige Organisations- und Finanzierungsstruktur sich entsprechend dem öffentlich-rechtlichen Auftrag daraus ergibt und welchen gesetzlichen Rahmen der Gesetzgeber vorsehen soll. Wie von Ihnen mehrfach erwähnt und auch in den Medien entsprechend kolportiert, wurden Sie von Ihrer Partei mit der Verfassung eines neuen ORF-Gesetzes beauftragt. In diesem Zusammenhang interessiert uns ihre Haltung zu folgenden Fragen:
In welchen Bereichen sehen Sie konkret Änderungsbedarf in der strategischen Ausrichtung des ORF?
Wie stehen Sie zur Stärkung der Landesstudios in organisatorischer und programmatischer Hinsicht?
Welche Änderungen in der Führungs- bzw Aufsichtsstruktur halten Sie für erforderlich und wie stellen Sie sich deren konkrete Zusammensetzung (auch hinsichtlich der Bundesländer) vor?
Wie definieren Sie den öffentlich-rechtlichen Auftrag des ORF im Vergleich zur bisherigen Rechtslage und sind Sie für eine Beibehaltung der bisherigen Gebührenfinanzierung bzw welche Modifikationen würden Sie unterstützen?
Welche wesentlichen Änderungen sieht Ihr angekündigtes ORF-Gesetz generell im Vergleich zur bisherigen Rechtslage vor?
2. Unvoreingenommenheit (Unabhängigkeit) und Offenlegung bei Interessenkonflikten
  • Wie jedes Mitglied des Stiftungsrats hat auch der Vorsitzende die Pflicht, seine Entscheidungen unabhängig von Staats- und Parteieneinfluss, unabhängig von anderen Medien sowie von politischen oder wirtschaftlichen Lobbys zu treffen (ORF-CGK 44). Es war bisher gute Tradition, dass sich die letzten Vorsitzenden medial zurückgehalten und wenn nur sachlich und neutral im Sinne des ORF öffentlich geäußert haben. Ihre jüngsten öffentlichen Äußerungen zum Streichen von Auslandskorrespondenten iZm der Ungarn-Wahl lassen die Befürchtung aufkommen, dass Ähnliches von Ihnen medial geäußert werden könnte und in der Öffentlichkeit nicht zwischen der politischen Meinung der Einzelperson und des von ihm vertretenen Stiftungsrats differenziert wird.
Wurden Sie in diesem Zusammenhang in den Medien richtig zitiert bzw was ist aus Ihrer Sicht klarzustellen?
Können wir verlässlich davon ausgehen, dass Sie sich medial so wie Ihre Vorgänger mit öffentlichkeitswirksamen Aussagen zurückhalten, die den unabhängigen ORF und dessen Stiftungsrat in ein parteipolitisches Licht rücken könnten?
  • Es bestehen sowohl in der Geschäftsordnung (§14) als auch im Corporate Governance Kodex Regeln für Interessenkonflikte und Eigengeschäfte (33 ff). Diese Regeln sind uE als Mindeststandards zu sehen. Angesichts der hervorgehobenen Stellung des Vorsitzenden und dessen Einflussmöglichkeiten (wie auch des Leitungsorgans) sind uE die Maßstäbe höher anzusetzen, wenn es um die Besetzung von Posten mit nahestehenden Personen oder um Eigengeschäfte geht.
Wie stehen Sie zu dieser Frage und stellen transparente Besetzungen sicher?