Hatte keine rechtliche Handhabe, also griff sie zur medialen: die ehemalige Grünen-Abgeordnete Sigrid Maurer. Dadurch, dass sie einen Übergriff öffentlich machte, löste sie eine Debatte aus.

Wien – Wer einen anderen vor Publikum "Dummkopf" nennt, kann gerichtlich verfolgt werden. Wer eine Frau auf das Gröbste sexuell belästigt, kommt oft unbeschadet davon, wie auch der Fall Sigrid Maurer zeigt.

Die frühere Grünen-Abgeordnete wurde via Direktnachricht vom Facebook-Konto eines Wiener Unternehmers aus übel belästigt, kann dagegen aber rechtlich nicht vorgehen – eine Gesetzeslücke, wie einige Juristen und Juristinnen meinen (DER STANDARD berichtete). Und eine, die leicht zu schließen wäre, würde Österreich sich an Deutschland ein Beispiel nehmen: Dort wäre ein solcher Fall vom Ehrenbeleidigungsparagrafen umfasst und gerichtlich verfolgbar.

Ehrenbeleidigung ist auch in Österreich mit bis zu drei Monaten Freiheitsstrafe bedroht. Von diesem Gesetz umfasst sind aber nur Beleidigungen, die vor mindestens zwei Personen geäußert werden. Auf Übergriffe, die wie im Fall Maurer via Direktnachricht geschickt werden, ist die Norm also nicht anwendbar.

Deutschland schützt Würde

Anders in Deutschland: Hier geht man davon aus, dass die Ehre eines Menschen nicht nur verletzt ist, wenn sein Ruf beschädigt wird, sondern auch dann, wenn er in seiner Würde angegriffen wird – also ohne dass es andere mitbekommen. Die Beratungsstelle #GegenHassimNetz von Zara spricht sich deshalb dafür aus, dass auch Österreich die Ehrenbeleidigung weiter fasst und das Gesetz entsprechend anpasst. Denn der Fall Maurer sei alles andere als ein Einzelfall, sagt Beratungsstellen-Leiterin Barbara Unterlerchner zum STANDARD.

"Wir haben immer wieder Fälle, wo Frauen in Direktnachrichten extremem Hass ausgesetzt sind, zum Beispiel in Form von Vergewaltigungswünschen, sich aber rechtlich nicht dagegen wehren können", so die Juristin. Die österreichische Rechtslage sei "noch nicht im Internetzeitalter angekommen", glaubt Unterlerchner: Dass ein Übergriff nur dann strafbar ist, wenn er vor zwei anderen Menschen geäußert worden ist, mag in Vor-Internet-Zeiten noch angemessen gewesen sein. "Heute kann ich aber auch eine Nachricht speichern und beliebig vielen anderen Leuten zeigen, ohne dass das Opfer darüber Kontrolle hat", sagt Unterlerchner.

Grundsätzlich ist die Ehrenbeleidigung ein Privatanklagedelikt. Werden Personen aufgrund ihres Geschlechts, ihrer Religion, Herkunft oder einer anderen Gruppenzugehörigkeit beleidigt, sieht das Gesetz aber eine Zuständigkeit der Staatsanwaltschaft vor. (Maria Sterkl, 14.6.2018)