Ein realistischer 'Simulator' der Wiener Start-up Firma 'SIMCharacters' der einem Kind nachempfunden ist, an dem Ärzte für die Versorgung von Frühgeborenen üben können.

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Der Mensch ist ein Wunderwerk. Viele Vorgänge in der Entwicklung des Organismus sind noch unzureichend bekannt. Die Neonatologin Sigrid Baumgartner hat sich mit der Entwicklung der Organe in den ersten Lebenstagen beschäftigt. Konkret mit der Ductus arteriosus Botalli, ein Gefäß, das im Blutkreislauf vor der Geburt die Lungenarterie mit der Aorta verbindet. Ihre Forschungsgruppe an der Med-Uni Wien konnte nun zeigen, dass dieses Blutgefäß durch sein Offenbleiben in den ersten Lebenstagen die Pumpkraft der (vor der Geburt weniger geforderten) linken Herzkammer verstärkt. Danach schließt sich das Gefäß – seine Aufgabe ist erfüllt.

Ab dem ersten Atemzug

Da beim Ungeborenen die Lungenatmung noch nicht eingesetzt hat und der Gasaustausch über die Plazenta erfolgt, pumpt die rechte Herzkammer maximal 20 Prozent des sauerstoffarmen Blutes in die Lungengefäße, der Rest wird über den Ductus Botalli in die absteigende Aorta gepumpt, von dort fließt es in die untere Körperpartie, aber auch zu zirka 30 Prozent über die Nabelarterien in die Plazenta.

Das mit Sauerstoff angereicherte Blut aus der Plazenta gelangt über die Nabelvene schließlich in die rechte Vorkammer des Kindes, von dort über das offene Foramen ovale in die linke Vorkammer, die linke Herzkammer und schließlich in die aufsteigende Aorta und die Kopf- und Armgefäße, wodurch sowohl die Herzkranzgefäße als auch das Gehirn des Babys mit sauerstoffreichem Blut versorgt werden.

Mit dem Einsetzen der Atmung nach der Geburt pumpt die rechte Herzkammer nun das Blut in die Lungengefäße, wo es mit Sauerstoff angereichert wird, der Blutfluss im Ductus Botalli dreht sich um und erfolgt nun von der Aorta in die Lungengefäße. Diese Kreislaufumstellung – der Übergang vom Kreislauf vor zum Kreislauf nach der Geburt – ist ein sehr komplexer Vorgang, der "programmiert" abläuft. Der Ductus arteriosus wird kleiner und verschließt sich, meist im Verlauf der ersten Lebenstage.

Bei Frühgeborenen anders

Beim frühgeborenen Baby verläuft diese Umstellung durch die Unreife der Lunge häufig verzögert, auch der Ductus Botalli bleibt häufig länger offen. Die unreife linke Herzkammer, die vor der Geburt das Blut überwiegend in die aufsteigende Aorta pumpt, muss nach der Kreislaufumstellung das Blut in den gesamten Körper pumpen. Bei Frühgeborenen, bei welchen sich der der Ductus Botalli "programmiert" nach einigen Tagen verschloss, zeigte sich unter dem Einfluss des Ductus Botalli eine Verbesserung der Pumpfunktion der unreifen linken Herzkammer. Ein Ausbleiben dieses "programmierten" Verschlusses führte zu einer Verschlechterung der Pumpfunktion.

Die AutorInnen schlossen daraus, dass der Ductus arteriosus Botalli durch sein Offenbleiben in den Tagen nach der Geburt die linke Herzkammer "trainiert". Dies geschieht über einen vermehrten Blutfluss in die Lunge und eine verstärkte "Vorlast" des Herzens, die über den sogenannten Frank-Starling Mechanismus zu einer verstärkten Pumpkraft des Herzens führt. De facto "trainiert" der Ductus arteriosus Botalli nicht nur die linke Herzkammer, er unterstützt auch die Durchblutung der Lunge nach der Geburt. (red, 17.6.2018)