Baden bei Wien – Im Geist sind beide immer Maler gewesen: Arnulf Rainer, der Übermaler mit dem energetischen, wilden Strich, und der nur ein Jahr früher, 1928, geborene Donald Judd, der puristische, analytische Visionär des Rationalismus.
Der 1994 gestorbene US-Künstler allerdings wollte nicht, dass seine Kunst nur an der Wand hängt; so suchte und fand er in den 1960ern mit seinen specific objects eine Mischform aus Skulptur und Farbfeldmalerei: Quader, mal handlich klein, mal tonnenschwer, oft additiv arrangiert, in denen er lackierte Farbflächen und Materialien wie Aluminium, Plexiglas, Holz und Stahl wirken ließ.
Judd war ein Minimalist durch und durch. "Formen und Materialien sollten nicht durch Kontexte verändert werden", befand er. Vielmehr sei "eine Form, ein Volumen, eine Farbe, eine Oberfläche schon für sich allein genommen etwas". Rainer hingegen ist bei aller Abstraktion den "aufdrängenden Willkürlichkeiten" verpflichtet. Und mit seinem atmosphärischen Farbverständnis und den Titeln, die er seinen Arbeiten schenkt, öffnet er das Feld für Assoziationen.
Minimalismus trifft auf Informel, Kalkuliertes aus Spontanes
Diese beiden abstrakten Meister spannt nun Kurator Rudi Fuchs in Kanten, Winkel, Linien, Kurven im Arnulf-Rainer-Museum in Baden zusammen. Es ist ein Pas de deux der Gegensätze geworden, ein Tanz zweier Radikaler: Donald Judds klare Geometrien der Farbe und Arnulf Rainers gestische Expressionen. Minimalismus und Informel, Kalkuliertes und Spontanes in einer gemeinsamen Choreografie. Mal über Eck plänkelnd, mal einträchtig nebeneinander, oft einander gegenüberstehend.
Es ist die Farbe, die für den Betrachter Ordnung zwischen diesen beiden Enden der Abstraktion herstellt – aber nicht sie allein. Für das Gefühl von Einigkeit sorgt freilich auch die Technik. Statt Judds Stahlkolosse auf Rainers monumentalen Farberuptionen auf Leinwand treffen zu lassen, ist das kleine Format der Druckgrafik ihr gemeinsamer Nenner: Judd hat unglaublich präzise Holzschnitte geschaffen, Rainer für die Kaltnadelradierungen Kupfer- und Aluminiumplatten geritzt. Das Medium Papier lässt ihre selbstbewussten Farben noch stärker leuchten, spielt die Kraft ihrer Nuancen aus.
Bei aller Verschiedenheit von der rohen, wilden Energie der zu Knäueln geballten Striche und den farbigen Rhythmen perfekt ausbalancierter Flächen, Balken, Linien herrscht in den marmornen Sälen des ehemaligen Frauenbades Harmonie: Es ist eine intensive, schöne Lektion in Sachen Koexistenz von zwei in unterschiedliche Richtungen strebenden Kräften. (Anne Katrin Feßler, 27.6.2018)