Dominic Raab gilt wie sein Vorgänger David Davis als überzeugter Brexit-Anhänger.

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David Davis hat in der Nacht auf Montag seinen Rücktritt bekanntgegeben.

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London/Dublin – Die britische Premierministerin Theresa May hat am späten Montagvormittag den bisherigen Staatssekretär im Bauministerium, Dominic Raab, zum neuen Brexit-Minister ernannt. In der Nacht auf Montag war der bisherige Minister David Davis zurückgetreten und hatte damit ein politisches Chaos in London losgetreten. Raab gilt wie Davis als überzeugter Brexit-Anhänger und Europaskeptiker.

Raab ist seit 2010 Mitglied im britischen Parlament, er warb 2016 für den Brexit. Er hat in Interviews für eine selbstbewusste Verhandlungslinie Großbritanniens geworben und doch eine gewisse Kompromissbereitschaft signalisiert. Der Sohn 1938 vor den Nazis geflohener tschechischer Juden hat in Oxford und Cambridge Jus studiert und war vor seinem Eintritt ins Parlament auch im Außenministerium tätig.

Davis hatte sich zwei Tage nach Mays Einschwenken auf einen konzilianteren EU-Ausstiegskurs zum Rückzug entschieden. Er war 2016 ernannt worden und galt als einer der prominentesten "Brexiteers" in Mays Kabinett. Beobachter sehen in der Besetzung durch Raab den Versuch der Premierministerin, eben jene Brexiteers, die für einen harten Brexit eintreten, zu besänftigen und dazu zu bringen, Mays Politik des sanften Brexits mitzutragen.

Kurz nach Davis gab auch dessen parlamentarischer Staatssekretär Steve Baker seinen Rücktritt bekannt. Meldungen darüber, dass auch Brexit-Unterstaatssekretärin Suella Braverman zurückgetreten sei, haben sich dagegen als unrichtig erwiesen. Insgesamt gibt es im Brexit-Ministerium fünf Posten.

Im vergangenen Jahr habe er häufig der Politik von "Number 10", also der Regierungslinie, nicht zugestimmt, erklärte Davis in seinem Rücktrittsschreiben. 10 steht für die Downing Street 10, den Sitz der Premierministerin in London. Weil es aber seine Aufgabe sei, umsetzbare Kompromisse zu finden, sei er bisher mitgegangen. Die jüngsten Entwicklungen würden es für ihn aber immer unwahrscheinlicher machen, dass das Mandat des Brexit-Referendums umgesetzt werde.

Einigung auf sanften Brexit

Erst am Freitag hatte sich die Regierung auf einen von May skizzierten Weg zu einem sanften Brexit geeinigt. Davis, der ähnlich wie Außenminister Boris Johnson zu den überzeugtesten Verfechtern des EU-Ausstiegs zählt, scheint diesen "dritten Weg" nicht länger beschreiten zu wollen.

Mays Vision sieht vor, dass Großbritannien zwar plangemäß aus der EU austritt, im Bereich von Waren und agrarischen Erzeugnissen aber weiterhin Freihandel mit dem Kontinent betreibt.

Dementsprechend antwortete May auch auf Davis' Rücktrittserklärung. Sie nahm seinen Rücktritt an, widersprach aber seiner Charakterisierung der neuen Brexit-Strategie. Das legte sie auch in einem langen Antwortschreiben in der Nacht auf Montag dar.

Applaus von Hardcore-Brexiteers

Für "Brexiteers" wie Davis dürften das zu viele Zugeständnisse an Brüssel sein. Sein Fraktionsgenosse Peter Bone, wie Davis ein Befürworter des Bruchs mit der EU, kommentierte Davis' Rücktritt am Sonntagabend in der BBC als "die richtige Sache". Mays Vorschlag sei inakzeptabel, weil er den Brexit nur noch im Namen trage.

Auch Nigel Farage, der ehemalige Chef der EU-feindlichen Ukip, gratulierte Davis zu seinem Rücktritt ("Well done") und konstatierte, dass "wir die heuchlerische Premierministerin loswerden müssen", damit der Brexit erfolgreich sein könne.

Davis selbst legte am Montagmorgen nach, dass er mit seinem Rücktritt nicht andere Minister dazu ermutigen wolle, die Premierministerin zu stürzen. Er habe eine Gewissensentscheidung getroffen. Sollte May dennoch stürzen, werde er seinen Hut nicht in den Ring werfen. May sei "eine gute Premierministerin".

Das deutsche Außenministerium gab unterdessen bekannt, dass man keine Zweifel daran habe, dass die britische Seite handlungsfähig sei.

Details zum künftigen Kurs der britischen Regierung sind bisher aber nur spärlich an die Öffentlichkeit gelangt. Erst am Freitag will London das lange erwartete, hundert Seiten starke Konzept für den EU-Ausstieg vorlegen. Am 29. März 2019 schließlich muss der Brexit vollzogen sein. Vor allem die Grenzfrage auf der irischen Insel erweist sich als Stolperstein für ein Abkommen zwischen London und Brüssel.

EU pocht auf Zeitplan

Der Brexit-Beauftragte des Europaparlaments, Guy Verhofstadt, rief jedenfalls zu einer Fortsetzung der Gespräche über den EU-Ausstieg auf. Er hoffe, dass Großbritannien eine gemeinsame Position finde, um die Gespräche abzuschließen. Die Stimme des Europaparlaments hat beim Brexit Gewicht, weil es dem abschließenden Deal zwischen der EU-Kommission und der britischen Regierung zustimmen muss.

Bundeskanzler Sebastian Kurz, der am Sonntag zu einem Besuch nach Irland aufgebrochen ist, betonte am Montag, dass es durch Davis' Rücktritt zu keinen Verzögerungen bei den Austrittsverhandlungen kommen dürfe. "Der Rücktritt ist natürlich zu respektieren. Wichtig ist, dass er aber nicht dazu führt, dass sich die Verhandlungen weiter verzögern", sagte Kurz.

Kurz sichert Irland Unterstützung zu

Zugleich sicherte er seinem irischen Amtskollegen Leo Varadkar die volle Unterstützung Österreichs in den Monaten der Verhandlungen mit London zu. Man müsse alles tun, um einen harten Brexit – und damit die Rückkehr einer harten Grenze zwischen dem britischen Nordirland und dem EU-Mitglied Irland – zu verhindern, so Kurz.

Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) ist am Montag zu Besuch in Dublin und London. Er wird sich mit der britischen Premierministerin Theresa May treffen. Im Mittelpunkt der Gespräche steht der "Brexit".
ORF

Am Montag besucht Kurz, derzeit turnusmäßig EU-Ratsvorsitzender, den Grenzübergang Ravensdale, danach reist er nach London weiter, wo er mit Premierministerin May sprechen wird. Der Rücktritt von David Davis wird dort nicht eben für entspannte Atmosphäre sorgen. (flon, red, 9.7.2018)