Die einstigen besten Freunde Walter Meischberger (links) und Karl-Heinz Grasser haben laut Letzterem jahrelang nicht miteinander geredet. Vor Gericht tun sie es wieder.

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Wien – Die Szene, die sich vor dem Haupteingang zum Straflandesgericht Wien abspielte, mutete – zumindest – skurril an. Die Buwog-Verhandlung war am Dienstag gerade zu Ende gegangen, die Hauptangeklagten und einstigen besten Freunde Karl-Heinz Grasser und Walter Meischberger hatten das "Landl" verlassen – und: stellten sich Foto-Shootings. Gemeinsam und einzeln, strahlend lächelnd ließen sich mit einer luftig-bunt gekleideten Frau ablichten – auf deren Wunsch hin, wie die dem STANDARD später erklärte.

Sie habe den Herrn Grasser und den Herrn Meischberger schon immer sehr interessant gefunden und das zufällige Zusammentreffen nun eben genützt. Ob sie den Prozess als Zuschauerin verfolge? "Nein, nein, ich arbeite hier am Gericht", wie die fotografierende Kollegin übrigens auch. Mit dem Buwog-Akt habe man aber nicht zu tun.

Eine – zumindest – skurrile Szene, angesichts der Tatsache, dass sich die beiden Angeklagten gerade in einem der größten Korruptionsprozesse der Zweiten Republik verantworten müssen. Für den Fall einer etwaigen rechtskräftigen Verurteilung drohen Höchststrafen bis zu zehn Jahren Haft.

"Staatsanwalt lacht blöd"

Eine symptomatische Szene aber auch: Der sehr selbstbewusste Expolitiker, der 2000 mit 31 Jahren Finanzminister geworden war, hat nach wie vor viele Fans. Er tritt auch im Großen Schwurgerichtssaal betont höflich auf; sein Trauzeuge und Exlobbyist Meischberger steht ihm da kaum nach. Wobei der in den 46 Verhandlungstagen schon auch unhöflich wurde. "Wenn der Staatsanwalt ... immer noch blöd lacht, kann ich ihm nicht helfen", meinte er im Juni einmal, und: "Er lacht noch immer. Nur fürs Protokoll."

Für dieses Protokoll und die Welt beteuerte Erstangeklagter Grasser seit Verhandlungsbeginn im Dezember stets seine Unschuld. "Ich wurde unschuldig in dieses Verfahren hineingezogen", er habe nur seine Pflicht getan, sagte er etwa am vorigen Donnerstag, dem letzten Tag vor Beginn der Sommerpause bis Mitte September. (Ausnahme ist der 1. August, da wird aus prozessualen Gründen verhandelt.)

Indizien und Zufälle

Ob die 500.000 Euro "Schwiegermuttergeld"; ob Abhebungen vom Liechtensteinkonto 400.815 (das die Anklage Grasser zurechnet, er bestreitet das) und zeitnahe Bareinzahlungen auf Grasser-Konten; ob Überweisung des Schwiegermuttergelds plus Veranlagungserfolg zur Mandarin, wo auch Meischberger-Vermögen geparkt war: Was der Staatsanwaltschaft als Indizienkette für die Anklage dient, sind für Grasser quasi Zufälligkeiten. "Was habe ich mit Mandarin zu tun?", fragte er etwa am Donnerstag, er habe doch nur eine Überweisung dorthin getätigt.

Bareinzahlungen erklärte er, zum Beispiel, mit nicht funktionierenden Kreditkarten seiner Frau Fiona. Er habe da halt einspringen müssen an der Kasse und sie habe dann ihre Schulden bei ihm in bar beglichen. Auch bei den Hochzeitsausgaben sei es so gewesen, da hat die Frischangetraute, die bekanntermaßen aus einer wirklich reichen Familie stammt, ihrem Ehemann ihren Anteil bar überreicht, wie Grasser schilderte.

Geschenk einer Dominanten

Beim Schwiegermuttergeld allerdings hat Grasser seine Linie geändert. In den Ermittlungen (die rund neun Jahre gedauert haben) hatte er stets sinngemäß erklärt, die Schwiegermutter habe ihm die 500.000 Euro überlassen, um sein Veranlagungstalent auf die Probe zu stellen. Vor Gericht klang es dann anders. Sie habe ihm und seiner Frau das Geld schenken wollen, er selbst habe es aber nicht nehmen wollen. Weil seine Frau gerade keinen Bargeldbedarf hatte, hätten ihm die beiden dann gesagt: "Du nimmst das und veranlagst das jetzt, bitte." Gesagt, getan, die Schwiegermutter dulde keinen Widerspruch.

Die Anklage geht ja davon aus, dass die 500.000 Euro Grasser gehörten, notabene aber nicht, dass sie aus der Buwog-Provision stammten, an der der Exminister laut Anklage partizipiert habe. Grasser bestreitet das seit jeher, für alle Angeklagten gilt die Unschuldsvermutung.

Bank, nicht Grasser veranlagte

Vor Gericht erschloss sich, dass zunächst die Meinl Bank das von Grasser überbrachte und auf dem Ferint-Konto gelandete Geld veranlagte (in Meinl-Papiere). Grasser übernahm die Geldvermehrung erst, als der Hypo-Genussschein am Markt auftauchte und überwies der "Schwiegerfamilie" via Konto Mandarin letztlich 784.000 Euro zurück, wie er aussagte.

Die Ferint AG, mit der er einen Treuhandvertrag geschlossen hatte (von dem die Schwiegermutter nichts wissen will, der sei "ohne ihr Zutun und ohne ihr Wissen abgeschlossen worden), bekam für ihre Dienste ab 2005 jährlich zu verrechnende Honorare. Tatsächlich wurden die aber erst 2010 in Rechnung gestellt, wie die Richterin jüngst erörtert hat. Warum so spät? Aus der Zeugeneinvernahme des Ferint-Zeichnungsberechtigten Heinrich Sch. von 2010: "Die Ferint hat das vermutlich vergessen." So lange Geld auf den Konten ist, sei man "bezüglich offener Rechnungen großzügig". (Renate Graber, 20.7.2018)