Ex-Skistar Hermann Maier ist dafür. Der Industrielle Hans Peter Haselsteiner und der frühere Vizekanzler Reinhold Mitterlehner (ÖVP) unterstützen die Initiative auch. "Ausbildung statt Abschiebung": Mit diesem Slogan kämpft der oberösterreichische Integrationslandesrat Rudi Anschober von den Grünen seit Monaten dafür, dass junge Menschen, die in Österreich eine Lehre begonnen haben, nicht abgeschoben werden.

An der von vielen Prominenten unterstützten Initiative gibt es Kritik, von "Asyl durch die Hintertür" ist die Rede. der STANDARD hat Anschober und FPÖ-Klubobmann Johann Gudenus zu einem Streitgespräch über den Arbeitsmarkt, Migration und die Asylwerberlehrlinge zusammengebracht.

Hier können Sie die Debatte noch einmal nachverfolgen. Rudi Anschober (links): "Sie wollen Integration nicht." Johann Gudenus (rechts): "Die Grünen sind nicht für die Österreicher da."
DER STANDARD
Anschober: Wir haben in Österreich mehr als 16.000 Lehrstellen, die aktuell nicht besetzt sind. Allein in Oberösterreich sind es 4000. Vom Maurer bis zum Elektrotechniker, vom Bäcker bis zum Tischler: Die Wirtschaft hat Bedarf. Viele Unternehmer suchen über Jahre nach Lehrlingen und finden sie nicht. Jetzt ist das anders, weil Asylwerber sich zunehmend um freie Plätze bewerben.
Gudenus: Prinzipiell ist es etwas Gutes, wenn auch junge Asylwerber die Möglichkeit haben eine Lehre zu absolvieren. Aber der Rechtsstaat ist zu respektieren und gelungene Integration kann nicht bedeuten, dass der Rechtsstaat ausgehöhlt wird. Wenn in einem laufenden Verfahren entschieden wird, dass jemand kein Recht auf Asyl hat, ist abzuschieben oder eine freiwillige Rückkehr zu ermöglichen.

Seit 2012 erlaubt ein Erlass des damals SPÖ geführten Sozialministeriums, dass Asylwerber eine Lehre absolvieren dürfen. Die Lehrlinge müssen unter 25 sein. Es darf kein Österreicher oder ein schon hier lebender Migrant verfügbar sein. Erlaubt ist die Lehre nur in ausgewiesenen Mangelberufen. Rund 950 Asylwerberlehrlinge gibt es in Österreich, die meisten in Oberösterreich.

Interessant ist, dass die meisten, gut 80 Prozent davon, Afghanen sind. Auch Iraker gibt es viele, Syrer dagegen kaum. Ein Grund dafür dürfte sein, dass Asylverfahren der Syrer laut Anwälten viel kürzer dauern. Anschober sagt zudem, dass Afghanen oft nur eine schlechte schulische Ausbildung haben – jahrzehntelanger Krieg und die Taliban haben Spuren hinterlassen. Wenn sie am österreichischen Arbeitsmarkt unterkommen wollen, brauchen diese Menschen also eine Ausbildung. Berater empfehlen Afghanen zudem wohl öfter, eine Lehre zu beginnen, wenn sie in Österreich bleiben wollen.

Fakt ist, dass Afghanen seit Monaten häufiger negative Asylbescheide bekommen. Vielen Lehrlingen droht die Abschiebung.

Gudenus: Wenn jemand aus dem Ausland der Meinung ist, dass er für einen Beruf qualifiziert ist, besteht die Möglichkeit, über die Rot-Weiß-Rot-Karte einzuwandern. Aber es geht nicht, dass das Asylrecht für klassische Zuwanderung missbraucht wird. Heute entscheidet der Staat, letztlich ein Gericht, ob jemand Asyl bekommt oder nicht. Wenn man die Lehrlinge bleiben lässt, würde das darauf hinauslaufen, dass Unternehmen, und damit Private, dem Staat die Entscheidung abnehmen. Das werden wir als neue Bundesregierung sicher nicht durchgehen lassen.
Anschober: Diese Rot-Weiß-Rot-Karte, das wissen doch alle, die sich damit beschäftigen, funktioniert nicht. Auch ich finde es richtig, dass man zwischen Asylrecht und den anderen Möglichkeiten zur Einwanderung unterscheidet. Aber dann muss man auch Möglichkeiten schaffen, die auch gangbar sind.

Die Rot-Weiß-Rot-Karte ermöglicht auch Nicht-EU-Bürgern den Zugang zum österreichischen Arbeitsmarkt. Unternehmerverbände beklagen aber, dass das aktuelle System nicht funktioniert. Die Hürden sind zu hoch. So können Fachkräfte wie Techniker zwar eine Rot-Weiß-Rot-Karte beantragen.

Doch dazu brauchen sie zuerst eine Jobzusage im Inland. Oft ist es für Menschen aus Drittstaaten schwer, überhaupt eine Einreisegenehmigung zu bekommen, um in Österreich auf Jobsuche zu gehen. Weniger als 200 Fachkräfte erhielten 2017 eine Rot-Weiß-Rot-Karte. Die türkis-blaue Regierung hat im Programm eine Reform angekündigt. Die Eckpunkte sind noch unbekannt.

Gudenus: Herr Anschober, es ehrt Sie, dass Sie sich dafür einsetzen, den Fachkräftemangel zu beheben. Aber da bietet es sich doch an, zuerst auf die eigenen Leute zu schauen. In Oberösterreich gibt es genug motivierte Jugendliche. Es kann nicht sein, dass eine Signalwirkung an die ganze Welt ausgeschickt wird: Ihr braucht nur eine Lehrstelle antreten und ihr seit im Leo. Illegale sind Illegale, die nach Hause müssen.
Anschober: In Deutschland gibt es die "3 plus 2"-Regelung, die sehr gut funktioniert. Die jungen Asylwerber dürfen dort ihre dreijährige Lehre fertigmachen und danach zwei Jahre im Betrieb bleiben. In dieser Zeit werden sie geduldet. Seit Einführung dieser Regelung ist der Zuzug unverändert geblieben. Mein Kompromissvorschlag lautet: Machen wir diese "3 plus 2"-Regelung in Österreich zunächst nur für die rund 950 Lehrlinge, die schon hier sind.

Seitdem sie nicht mehr im Nationalrat sitzen, gibt es bundespolitisch keinen Schlagabtaus ch mehr zwischen Grünen und FPÖ. Anschober und Gudenus nutzten die Chance, um das nachzuholen.

Das Arbeitsmarktservice führt in allen Bundesländern Mangellisten über Berufe, in denen es besonders schwer ist, Bewerber zu finden. In Wien gibt es wenige Mangelberufe. In Oberösterreich stehen bereits 150 auf der Liste, in der Steiermark über 100.

Gudenus: Wir wollen den Fachkräftemangel primär durch eine Attraktivierung der Lehre lösen. Aber wenn Qualifizierte in Österreich gebraucht werden, sollen sie aus dem Ausland kommen können.
Anschober: Ihnen geht es doch um etwas anderes. Sie wollen Integration nicht, Sie zerstören, was funktioniert. Indem Sie die Lehrstellenfrage nicht lösen, machen Sie einen zentralen Integrationsbereich kaputt. Das liegt daran, dass die FPÖ Probleme aufrechterhalten will. Das ist ihr Geschäftsmodell.