Die routinierte Theaterschauspielerin weiß mit Lampenfieber auf der Bühne umzugehen. Das Gefühl, vor der Linse eines Fotografen zu stehen, kann dann hingegen doch etwas außerhalb der Komfortzone liegen, wie das RONDO-Modeshooting zeigt. "Da bemerkt man erst, dass bewusstes, statisches Posieren ganz ungewohnt ist. Man weiß gar nicht, welche Körperhaltung und Gesichtsausdrücke am besten wirken", kommentiert Isabella Knöll die Erfahrung.
Auch die Selbstreflexion der Kollegin Katharina Klar zeigt, dass sie nicht jeden Tag vor der Kamera posiert: "Ich bin da viel gehemmter als auf der Bühne." Ganz anders wiederum Seyneb Saleh. Sie genießt das Shooting sichtlich, Ausdruck und Posen sitzen auf Anhieb. Auch die beiden anderen Frauen finden vollends in ihre ungewohnte Rolle als Model hinein. Das Endergebnis kann sich sehen lassen! Genau wie die Karriere der drei Schauspielerinnen.
Nach ihrem Schauspielstudium in Graz und einem Engagement am dortigen Schauspielhaus ging Katharina Klar 2015 nach Wien ans Volkstheater – ebenso Seyneb Saleh, die das Ensemble aber mit Ende der Spielzeit 2017/18 wieder verließ und seither vermehrt vor der Kamera steht. Nach ihrem ersten Auftritt in einer Netflix-Produktion, dem Mysterythriller "Mute", dreht die nun freischaffende Schauspielerin weitere Onlineformate. Ab Mitte Oktober ist die Spionageserie "Deutschland 86" auf Amazon Prime Video, ab Dezember die Krimiserie "Dogs of Berlin" auf Netflix zu sehen.
Isabella Knöll ist erst seit einem Jahr Mitglied im Ensemble des Volkstheaters. Vergangenen Sommer wurde sie prompt mit dem Dorothea-Neff-Preis für die beste schauspielerische Nachwuchsleistung geehrt. In der Kategorie "Beste schauspielerische Leistung" ging der Preis, der die Höchstleistungen am Volkstheater in der vergangenen Spielzeit würdigt, an Katharina Klar. Es läuft also gut für die drei Schauspielerinnen, die sich mit uns über ihren Beruf, das Publikum, Kulturpolitik und Textiles unterhalten haben.
STANDARD: Das Ensemble kehrt nach der Spielpause ins Theater zurück. Genau wie die Schüler nach den Sommerferien in die Schule?
Isabella Knöll: Der Herbst hat auf alle Fälle etwas von Schulbeginn. Es fehlt eigentlich nur noch die Schultüte. Es gibt, wie in der Schule und jeder anderen sozialen Gruppe, auch hier gewisse Rollen – wie etwa die "Gruppensprecher", die eher Ruhigeren und die Klassenclowns. Vor allem in diesem Narrenfaktor gleicht das Ensemble manchmal einer Schulklasse. Ich könnte mir aber auch keinen Beruf vorstellen, in dem es nicht möglich ist, ein bisschen zu blödeln.
Katharina Klar: Der große Unterschied ist, dass man in der Schule viel über die eigene Rolle in der Gruppe nachdenkt und um Anpassung bemüht ist. Das ist unter Erwachsenen zum Glück etwas besser.
STANDARD: Frau Saleh, Sie sind seit Ende der Spielzeit 2017/18 als freie Schauspielerin tätig. Was hat Sie dazu bewogen, das Ensemble zu verlassen?
Seyneb Saleh: Der Film Mute brachte mir einige Drehangebote und Castings, die ich wahrnehmen wollte. In verhältnismäßig kleinen Ensembles wie jenem am Volkstheater ist es schwierig, den Mitgliedern nebenher umfangreiche Dreharbeiten zu ermöglichen. Aber ich werde nie gänzlich auf das Theaterspielen verzichten. Die derzeitige Phase ist also eher eine Pause als ein Ende.
STANDARD: Als freie Schauspielerin ist man von den Vorgängen an den Häusern unabhängiger. Was unterscheidet sich außerdem von einer Ensemblemitgliedschaft?
Saleh: Die tägliche Struktur von Proben, Textlernen, Vorstellung bricht weg. Man ist selbstbestimmt und verleiht sich eine eigene Alltagsstruktur, kann sich mehr der eigenen Künstlerwahrnehmung und Kreativität widmen. Dafür ist während eines Fixengagements meistens keine Zeit. Als Freie verbringt man natürlich auch viele Stunden mit Castings und Vorsprechen, und es gibt mehr Papierkram zu erledigen.
STANDARD: Im Volkstheater steht ein Direktionswechsel an. Fürchtet man in solchen Situationen um das eigene Engagement?
Knöll: Wenn man den Beruf ergreift, weiß man, worauf man sich einlässt. Wobei ich als ungebundene und flexible Frau mit so etwas natürlich besser umgehen kann als jemand, der Kinder hat oder die jeweilige Stadt auf keinen Fall verlassen will.
Klar: Die Verträge von Schauspielern sind ohnedies immer zeitlich begrenzt, meist auf zwei Jahre. Geringe Planungssicherheit gehört also zum Job dazu, aber ich frage mich schon, ob das so sein muss.
STANDARD: Wie wird es mit dem Ensembletheater weitergehen?
Saleh: Ich hoffe stark, dass es Ensembletheater noch lange gibt. Ein Theater generiert seine kreative Kraft aus dem Ensemble. Aber es muss sich auch vieles verändern, was beispielsweise die Freiheit und die Teilhabe an Entscheidungsfindungen angeht.
Knöll: Ich könnte mir vorstellen, dass Schauspieler wieder verstärkt Kollektive bilden und von Theatern für Produktionen eingeladen werden ...
Klar: Aber auch da können Abhängigkeiten entstehen. Das ist eh so ein Dilemma, Theater soll gesellschaftliche Zustände kritisieren, oft wiederholen wir jedoch strukturell genau das, was wir auf der Bühne kritisieren. Es ist ja zum Beispiel kein Wunder, dass Kapitalismuskritik auf der Bühne irgendwie zahnlos ist, wenn Kulturinstitutionen selbst immer mehr wie Wirtschaftsunternehmen agieren und auch agieren müssen, weil ja überall Einsparungszwang besteht.
STANDARD: Auslastungszahlen von Theaterhäusern sind immer wieder Thema in den Medien. Spürt man auf der Bühne, wie voll der Saal ist und wie das Publikum die Vorstellung aufnimmt?
Knöll: Abseits der Bühne spricht man natürlich über Auslastungszahlen und wirtschaftliche Themen, aber wenn der Vorhang aufgeht, ist das komplett egal. Man versucht immer seine Arbeit gut zu machen.
Klar: Ich spüre das Publikum extrem. Es kann sehr gute Vorstellungen geben, auch wenn wenige Leute da sind, wenn man eine Verbindung spürt und das Gefühl hat, der Abend macht etwas mit diesen Menschen. Natürlich macht es mehr Spaß, vor vollem Haus zu spielen, aber ich stelle auch infrage, ob es die wichtigste Aufgabe eines Theaters ist, die Hütte jeden Abend voll zu bekommen.
STANDARD: Netflix und Co fassen Geschichten in kleine Häppchen. Kann sich das Publikum bei langen Theateraufführungen heutzutage noch konzentrieren?
Saleh: Wenn etwas der Konzentration des Publikums im Weg steht, dann sind das diese Smartphones. Da denke ich mir manchmal schon: Was bist du für ein Tinder-Opfer. Schaffst du's keine zwei Stunden ohne?
STANDARD: Schlüpft man ins Kostüm und automatisch auch in die Figur?
Klar: Es gibt fantastische Kostümbildner, die mit einem gemeinsam das Kostüm für eine Figur entwickeln. Kleidung ist ein sehr persönliches Thema, und das Kostüm beeinflusst die Konzeption einer Figur extrem, deswegen kommt es hier auch manchmal zu Konflikten.
STANDARD: Welchen Stellenwert hat Mode für Sie?
Saleh: Das Wichtigste ist, dass ich mich wohlfühle. Im privaten Alltag und während der Arbeit mag ich es eher praktikabel. Für besondere Anlässe schlüpfe ich aber sehr gerne in eine zweite Haut.
Knöll: Ich trage als Privatperson und als Bühnenfigur ungern Kleidung, in der ich mich verkleidet fühle. Man sollte aber offen bleiben und Neues ausprobieren. So lernt man neue Aspekte der eigenen Persönlichkeit kennen.
Klar: Mode kann ein Übungsfeld für weniger harmlose Lebensbereiche sein. Man kann sich ausprobieren, man lernt, sich zu inszenieren und zu sich zu stehen. Meine Auswahl ist aber ein bisschen beschränkt, weil ich vor Jahren beschlossen habe, neben Secondhand-Kleidung nur mehr von Labels zu kaufen, die nachhaltig und vor allem fair produzieren. Ich finde, das Wort "Luxusmarke" sollte auch mit luxuriösen Arbeitsbedingungen zu tun haben.(Michael Steingruber, RONDO, 7.9.2018)