Hat nicht viel Positives zur geplanten Kassenreform zu sagen: Rechnungshofpräsidentin Margit Kraker.

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Wien – Heftige Kritik an der von der Regierung geplanten Reform der Sozialversicherungen kommt auch vom Rechnungshof. Insbesondere die Darstellung der Kosten ist nach Ansicht der Prüfer ungenügend. "Es fehlen transparente und nachvollziehbare Berechnungsgrundlagen", heißt es in der Begutachtungsstellungnahme. Präsidentin Margit Kraker fordert eine Überarbeitung der Kostendarstellung: "Man muss das Spiel mit Zahlen beenden."

Im Gespräch mit der APA kritisierte Kraker, dass der Nachweis zum Einsparen der von der Regierung behaupteten Milliarde fehle. Und bei den in den Erläuterungen angeführten 33 Millionen Euro bis 2023 sei nicht klar, wie man dazu komme. "Die Grundlage ist nicht nachvollziehbar." Außerdem würden die zu erwartenden Mehrkosten verschwiegen, kritisierte die RH-Präsidentin. Sie urgierte ein "transparente Darstellung" und eine seriöse Planung und meinte, dass eine unklare Darstellung zu Verunsicherungen führen könnte, die die Reform gefährden könnten.

Unvollständig, ungeeignet

In seiner Stellungnahme kritisiert der RH auch, dass die Darstellung der Kosten nicht den gesetzlichen Anforderungen entspreche. Sie "ist unvollständig, basiert auf nicht nachvollziehbaren Grundlagen. Damit ist sie nicht geeignet, dem Gesetzgeber eine aussagekräftige Entscheidungsgrundlage zu bieten."

Für die Annahme einer Reduktion der Verwaltungskosten um zehn Prozent gebe es keine inhaltliche Begründung. "Der RH unterstützt zwar ausdrücklich das Ziel einer effizienten Verwaltung, weist aber auf das Risiko hin, dass Personalreduktionen ohne entsprechende begleitende Prozessveränderungen, einen unmittelbaren wirtschaftlichen Nachteil für die Versicherten bewirken könnten."

Außerdem wird moniert, dass die Fusionskosten (Neuanmietung von Büros, EDV-Umstellungen, Beratungskosten etc.) nicht bewertet sind. Der RH macht ausdrücklich auf die Kosten der Fusion der Pensionsversicherungsanstalten von Arbeitern und Angestellten 2007 von 114,8 Millionen Euro aufmerksam und verweist "auf das Risiko, dass ohne weitere Maßnahmen bei den vorgeschlagenen Fusionsvorhaben vermeidbare Mehraufwendungen entstehen könnten." Das Nettoergebnis der vorgeschlagenen Maßnahmen für die aus den zusammengelegten Gebietskrankenkassen entstehende "Österreichische Gesundheitskasse" (ÖGK) könnte in den ersten fünf Jahren nicht wie dargestellt positiv, sondern – selbst unter Berücksichtigung von Fusionskosten – "deutlich negativ" sein.

Nominell fünf, faktisch zehn Träger

Der RH befürwortet zwar die Ziele einer Effizienzsteigerung und Vereinheitlichung von Leistungen, sieht deren Realisierung aber teilweise nicht erreicht. So werde die Zahl der Sozialversicherungsträger nur "nominell" auf fünf reduziert, faktisch bestünden weiterhin zehn Träger. Von den derzeit fünf Betriebskrankenkassen sollen vier als betriebliche Wohlfahrtseinrichtungen weiter bestehen (nur die Kasse der Wiener Verkehrsbetriebe wird aufgelöst), ebenso die Notariatsversicherung. Nicht erfasst vom Entwurf sind auch die 15 Krankenfürsorgeanstalten.

Die Versicherungsträger der Bauern und der gewerblichen Wirtschaft werden zusammengelegt, ihr jeweiliges Beitrags- und Leistungsrecht bleibt jedoch unverändert, stellte der RH fest. Er verweist dabei "auf das Risiko, dass durch die Zusammenlegung – ohne klare Regelung des Leistungsrechts – die Tarife für den fusionierten Träger steigen könnten, was mit deutlichen Mehrkosten verbunden wäre". Ähnliches gelte auch für die unterschiedlichen Vorgaben für Beamte, Vertragsbedienstete neu, Eisenbahner und die Knappen im Sinne des Bergbaus.

Regionale Besonderheiten

Auch bei der Österreichischen Gesundheitskasse erfolgt keine "unmittelbare materielle Vereinheitlichung des Leistungsrechts", weil regionale Differenzierungen zu den Gesamtverträgen verhandelt werden sollen. Offen bleibt auch das finanzielle Volumen dieser regionalen Besonderheiten. Eine tatsächliche Vereinheitlichung für die Versicherten erfolgt innerhalb der neu geschaffenen Träger nicht, obwohl die Leistungsharmonisierung eines der zentralen Ziele der Reform ist, kritisiert der Rechnungshof.

"Nicht sichergestellt" sehen die Prüfer auch eine "verwaltungseffiziente Beitragsprüfung", die von den Kassen zur Finanz verlegt werden soll. Der RH befürchtet hier "eine weitere Komplexitätserhöhung in der Verwaltungsorganisation" und erkennt das Risiko, dass die spezifischen Interessen der Sozialversicherung nicht ausreichend berücksichtigt sind.

Zu wenig Kontrolle

"Problematisch" ist für den RH auch die geplante Abschaffung der Kontrollversammlung in den Trägern. Angesichts des hohen Gebarungsvolumens (63,9 Milliarden Euro 2018) "ist ein Kontrollgremium aus der Sicht des RH unbedingt erforderlich".

Schließlich weist das Prüforgan auch noch darauf hin, dass inhaltliche Vorgaben der Gesundheitsreform durch diesen Entwurf nicht umgesetzt werden.

Kritik aus ÖVP-regierten Ländern

Nicht nur der Hauptverband und die rot-geführten Sozialversicherungsträger, sondern auch die beiden schwarz-geführten Gebietskrankenkassen von Tirol und Vorarlberg üben massive Kritik an der geplanten Sozialversicherungsreform. Einige kritische Anmerkungen kommen in der Begutachtung auch von den ÖVP-regierten Ländern Salzburg und Niederösterreich.

"Die angedachte Großfusion zu einer neuzugründenden ÖGK (Österreichische Gesundheitskasse) wird offenkundig für sich keine Vorteile für die Versicherten, Vertragspartner, Dienstgeber bzw. all unsere Kunden in Tirol ergeben können", heißt es in der Stellungnahme der Tiroler GKK. Mit dieser Novelle werde auch keines der bekannten Probleme im Gesundheitswesen gelindert oder gar gelöst. Es werde aber massiv in ein gut funktionierendes System der sozialen Sicherheit eingegriffen. Neben einer überdimensionalen Fusionierung der neuen Gebietskrankenkassen samt Verschiebung der Einflusssphären erfolge eine völlige Zentralisierung mit allen sich daraus ergebenden negativen Folgen für das Bundesland. Für die Tiroler GKK ist auch nicht ersichtlich, warum es künftig gerade fünf Sozialversicherungsträger sein sollen. Und das propagierte Ziel einer bundesweiten Leistungsharmonisierung werde damit keineswegs erreicht.

Verfassungsrechtliche Bedenken

Auch die Vorarlberger GKK verweist darauf, dass die Zusammenlegung der Gebietskrankenkassen keinen entscheidenden Beitrag zur Lösung der Probleme leiste, die vorwiegend auf der Ebene der unterschiedlichen Kompetenzen von Bund, Ländern, Sozialversicherung und Leistungsanbietern liegen. Verfassungswidrig erscheinen der VGKK vor allem die paritätische Besetzung der Gremien mit Dienstgeber- und Dienstnehmervertretern, die Verlagerung der Beitragsprüfung zu den Finanzbehörden sowie die erheblichen Ausweitungen der Kompetenzen der Aufsicht. Die VGKK geht jedoch davon aus, dass diese Bestimmungen ohnehin einer Prüfung durch den VfGH unterzogen werden.

Die beiden ÖVP-regierten Länder Niederösterreich und Salzburg haben zwar keine derart grundlegenden Einwände, machen aber durchaus auch kritische Anmerkungen. So wünschen sich beide Länder mehr Kompetenzen für die Landesstellen der ÖGK. Sowohl Niederösterreich als auch Salzburg kritisieren, dass der Verwaltungsrat der ÖGK das Vorschlagsrecht für die Landesstellenleiter bekommen soll. Beide wünschen sich auch, dass der Vorsitz nicht alle sechs Monate wechselt sondern zumindest eine einjährige Vorsitzführung ermöglicht wird. Salzburg will auch den Aufgabenkatalog der Landesstellenausschüsse insbesondere um Entscheidungskompetenzen in den regional wichtigen Belangen erweitern. "Überschießend" ist für die Salzburger auch, dass die Aufsichtsbehörde Beschlüsse der Verwaltungskörper im Ausmaß von mehr als zehn Millionen Euro aufheben kann, weil davon alle wesentlichen Zielsteuerungsvorhaben erfasst wären. (APA, 18.10.2018)