Rapid-Präsident Michael Krammer: "Hier war keinerlei Verhältnismäßigkeit gegeben."

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Rapids Präsident Michael Krammer war am Montag in erster Linie fassungslos ob der Vorfälle beim Polizeieinsatz vom Sonntagnachmittag in Wien-Favoriten. "Ich habe nie geglaubt, dass eine 1:6-Niederlage gegen die Austria angesichts der Vorkommnisse zu einer Randerscheinung verkommt." Sie verkam.

1338 Rapid-Anhänger wurden von der Polizei stundenlang zu Identitätsfeststellungen vor dem Stadion angehalten. Auf einem extrem schmalen Weg, der vom Abgrund zur Südosttangente beziehungsweise von einer Hausmauer begrenzt wird. Krammer sagte zum STANDARD: "Sie wurden wie Tiere zusammengepfercht. Frauen, Kinder, ältere Menschen. Ein Wunder, dass keine Massenpanik ausgebrochen ist. Ein skandalöses Vorgehen. Ich habe als ehemaliger Offizier des Bundesheers großes Verständnis für rechtsstaatliche Prinzipien. Was ich am Sonntag erlebt habe, hätte ich aber im Rechtsstaat Österreich nicht für möglich gehalten." Krammer kündigte hunderte Maßnahmenbeschwerden beim Verwaltungsgericht Wien an.

Ein Video zeigt das zumindest Schneebälle auf die fahrenden Autos geworfen wurden.

Um das Match waren 550 Beamte im Einsatz. Auslöser für die Maßnahmen war eine fünfminütige Sperre (ab 15.05 Uhr) der Südosttangente (A23). Laut Angaben der Exekutive hatten bereits als Risikofans bekannte Männer pyrotechnische Gegenstände, Getränkedosen und Schneebälle auf die Autobahn geworfen, die unmittelbar an der Generali-Arena vorbeiführt – zumindest Schneebälle werden durch Videos belegt. Die Polizei überprüfte daraufhin die Identität der Personen, die am Rapid-Fanmarsch zum Stadion teilgenommen hatten. Sie wurden eingekesselt und bis zu sieben Stunden lang angehalten. Bei minus zwei Grad und rutschiger Schneeunterlage. Es gab übrigens nur zwei Anzeigen.

Helmut Mitter von der Rechtshilfe Rapid sagte: "Man kann sich vorstellen, was das kältetechnisch mit dem Körper macht." Zeugen berichteten dem STANDARD von weinenden Mädchen, die Polizei soll es abgelehnt haben, die Festgehaltenen mit Decken und Heißgetränken zu versorgen. Rettungskräfte wurden mit dem Hinweis, man habe eigene Sanitäter, weggeschickt. Ein Kind mit Diabetes war der Tortur mehrere Stunden ausgeliefert. Der Gang auf die Toilette wurde ebenfalls verwehrt. Laut Rechtshilfe mussten nach der Aktion 17 Personen stationär behandelt werden.

Laut Polizei sei der Einsatz ohne gröbere Zwischenfälle abgelaufen. Es mussten "lediglich drei Personen von der Rettung abtransportiert werden" . Man habe Frauen und Kinder bevorzugt behandelt. Um 19.45 Uhr seien die angehaltenen Personen von der Berufsfeuerwehr mit Heißgetränken versorgt worden.

Eine Provokation

Fanmärsche haben Tradition, sie erleichtern der Polizei die Arbeit. Reisen die organisierten Anhänger gemeinsam an, sind sie besser kontrollierbar. Die Route wird von der Polizei vorgegeben. Die Alternative wäre ein Chaos.

Am Donnerstag hatte der harte Kern der Rapid-Anhänger gegen die Glasgow Rangers eine Choreografie gezeigt, dabei war ACAB zu lesen. Das heißt "All Cops Are Bastards". Nicht nur Verschwörungstheoretiker vermuten, dass es sich um einen Racheakt gehandelt haben könnte. Zeugen berichten von Beamten, die lachten. Sätze wie "Des habt's davon" wurden kolportiert. Fragen wie "Wann kann ich bitte heimgehen?" mit "Gusch" quittiert.

Unbestritten ist, dass es bei Rapid aberwitzige und gewaltbereite Fanatiker gibt. Schneebälle oder Dosen auf eine Autobahn zu werfen ist krank. Krammer: "Ich stimme absolut zu, dass Gewalt auch im Fußball nichts verloren hat. Daher sollten jene zur Verantwortung gezogen werden, die sich strafbar machen, aber es sollten nicht mehr als 1300 Personen unter Generalverdacht gestellt und über Stunden unter menschenunwürdigen Umständen festgehalten werden."

Irgendwann wird sich Krammer mit dem 1:6 befassen. (Christian Hackl, 17.12.2018)