Wien – "ZiB 2"-Anchor Armin Wolf warnte Donnerstag in seiner Dankrede für den Titel "Journalist des Jahres", die Regierung könnte den ORF mit dem geplanten neuen ORF-Gesetz "totsparen: Nach Sparprogrammen um Sparprogramm bedeuten weitere deutliche Kürzungen, "ganz brutal ins Programm zu schneiden oder massenweise Journalistinnen und Journalisten zu kündigen". Die Laudatio auf Wolf hielt Claus Kleber, Anchorman des "Heute Journal" im ZDF. Kleber erklärte, warum Wolfs Interviews tatsächlich etwas von "Verhören" haben – und warum Politiker "das schon aushalten müssen".
Armin Wolfs Dankrede als Wortprotokoll:
"Bei Vorgängerregierung genauso"
"De-Facto-Verstaatlichung"
"Regierungsfunk wie in Ungarn"
"Säule demokratischer Ordnung": Kleber über Wolfs "Verhöre"
"Heute Journal"-Anchor Claus Kleber in seiner Laudatio über Wolf und seine Interviews:
Lohnendes Ziel
Kleber kann nicht ganz glauben, dass Wolfs Position im ORF unangreifbar sei – auch wenn er sich und ihm das wünsche: "Wenn man es schafft, ein Umfeld zu zerstören, dann kann man einem Journalisten auch den Job so verleiden, dass er ihn nicht mehr ausfüllen mag und kann. Einer, der so herausragt, wie Armin Wolf, macht sich auch zu dem, was amerikanische Bomberpiloten ein 'lucrative target' nennen. Eine attraktive Zielscheibe.
"Unbotmäßigkeit tolles Kompliment"
Kleber erinnerte an die politisch motivierte Ablöse von Nikolaus Brender als ZDF-Chefredakteur. Derlei sei zugleich als eine Warnung gedacht an alle übrigen, unbekannten Journalistinnen und Journalisten. Das gleiche Signal sieht Kleber bei Stiftungsratschef Norbert Steger (FPÖ), wenn er Wolf Unbotmäßigkeit vorwirft: Das solle "Botmäßigkeit fördern, nicht bei Wolf, bei den anderen." Für Kleber ist Unbotmäßigkeit eigentlich aber "ein tolles Kompliment".
Wrabetz: "Neue Qualität" der Angriffe
ORF-Generaldirektor Alexander Wrabetz sah eine "neue Qualität" darin, wie ORF-Journalisten im Vorjahr auf Social Media, "aber auch von führenden Politikern attackiert wurden. Insofern ist dieser Preis auch ein Ansporn für uns, diesen Kollegen den Rückhalt zu geben, sich auch in Zukunft solchen Angriffen entgegenzusetzen." Das signalisiere auch die gesamte Branche mit der Auszeichnung "Redaktion des Jahres".
Medienminister gratuliert
Medienminister Gernot Blümel (ÖVP), in diesen Wochen wesentlich mit dem neuen ORF-Gesetz beschäftigt, gratulierte Wolf und den übrigen "Journalisten des Jahres" Donnerstagabend via Twitter.
"Unbequemes Gegenüber"
Puls 4-Infochefin Corinna Milborn wurde als "Chefredakteurin des Jahres" ausgezeichnet. Ihre Redaktion wolle beitragen, dass sich Seherinnen und Sehern ihre Meinung bilden und informierte Entscheidungen treffen können. Im letzten Jahr sei das wichtiger geworden "mit dem ständigen Nachrichtenstrom auf Youtube und auf Facebook. Zugleich auch schwieriger: Politiker erwarteten von Medien nur Platz und Sendezeit, um ihre Botschaften unterzubringen und selbst Schnipsel daraus auf ihren eigenen Kanälen zu verbreiten. "Das nicht zu tun, darum bemühen wir uns jeden Tag – ein Gegenüber zu sein, das unbequem ist."
Abbiege-Assistent: "Gewinnmaximierung auf Kosten von Menschenleben"
Petra Pichler, als Chronikjournalistin des Jahres ausgezeichnet, warf der Gala-Gastgeberin Wirtschafskammer vor, sie setze "ihre Lobbyingpower gegen eine schnelle Einführung von Abbgiegeassistenten für Lkw". Der alte Slogan "Gehts der Wirtschaft gut, geht's uns allen gut", klinge wie Hohn in ihren Ohren nach dem Tod eines Neunjährigen Ende Jänner, den ein Lkw-Fahrer übersehen hat. Hier gehe es "um Gewinnmaximierung auf Kosten von Menschenleben, auf Kosten von Kinderleben".
"Journalisten des Jahres"
Weitere Ehrungen des Branchenmagazins "Der österreichische Journalist" gingen Donnerstagabend zudem an Karim El-Gawhary von ORF bzw. "Presse" (Außenpolitik), an Renate Graber ("Standard", Wirtschaft), an Clarissa Stadler (ORF) und Thomas Kramar ("Presse") in der Kategorie Kultur, an Petra Pichler (ORF, Chronik) und an Barbara Daser (ORF) für Wissenschaft. Kolumnistin des Jahres ist Anneliese Rohrer ("Presse"), in der Kategorie Investigation siegte Michael Nikbakhsh ("profil"), im Sport geht der Titel an Alina Zellhofer (ORF). Hanno Settele (ebenfalls ORF) punktete in der Kategorie "Unterhaltung", Harald Fidler ("Standard") ist Medienredakteur des Jahres, sein Kollege Matthias Cremer siegte in der Kategorie Fotografie. "Aufgefallen" ist 2018 Melisa Erkurt ("Biber"). Sonderpreise gibt es für Sebastian Weber (Servus TV, Infotainment) und Barbara Kaufmann ("Self Branding").
APA-Geschäftsführer Clemens Pig wurde Donnerstag als "Medienmanager des Jahres" ausgezeichnet.
Mut und Demut: Nußbaumers Lebenswerk
"Furche"-Herausgeber Heinz Nußbaumer wurde für sein Lebenswerk geehrt. Laudatorin Brigitte Wolf, Landeschefin des ORF Wien, würdigte ihn als "wunderbaren Menschen, wunderbaren Freund, großartigen Journalisten und Autor zahlreicher Bestseller". Er sei ein "Verbindender", ein "Querdenker, einfühlsamer Beobachter" sowie engagiert und loyal.
Der Geehrte verwies auf die "richtige Mischung zwischen Mut und Demut", die Journalisten brauchten. Und er dankte seinem früheren Chef beim "Kurier", Hugo Portisch, der beim Verleihungsfest in der Wirtschaftskammer auch anwesend war, als nie erreichbares Vorbild. Portisch selbst, der unlängst 92 wurde, wurde vom Publikum mit einem Geburtstagsständchen überrascht. (red, APA, 22.2.2019)