Heinz-Christian Strache und Sebastian Kurz gelten als harmonisches Duo. Dabei gibt es zwischen FPÖ und ÖVP genauso Differenzen wie in Regierungen davor. Sie werden bloß nicht mehr öffentlich ausgeschlachtet.

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Immer wenn es Populäres unter das Volk zu bringen gilt, stehen die Chefs selber vorne. Verschärfung des Strafrechts für Gewaltverbrecher, Entlastung der Steuerzahler, gekürzte Mindestsicherung für Asylberechtigte – alles Themen, die von Kanzler Sebastian Kurz und seinem Vize Heinz-Christian Strache persönlich präsentiert werden.

Damit möglichst vieles nach Drehbuch abläuft, treffen sich die Kommunikatoren der Parteien einmal die Woche und legen gemeinsam die Linie fest. Ziel ist es bekanntlich, den unter den rot-schwarzen Vorgängerregierungen genüsslich zelebrierten öffentlichen Streit zu vermeiden. Das gelingt bis jetzt auch ganz gut.

Bei genauerer Betrachtung zeigt sich aber, dass sich Türkis und Blau, ähnlich wie frühere Koalitionen, sehr häufig gar nicht grün sind. Jüngstes Beispiel dafür war die Forderung nach einem Rechtsanspruch auf einen Papamonat, die ohne Drehbuchanweisung aus dem Kanzleramt von Sozialministerin Beate Hartinger-Klein (FPÖ) erhoben wurde. Die in den Umfragen etwas unter ihr Wahlergebnis gefallene FPÖ versucht mit solchen Themen ihr zu Oppositionszeiten gepflegtes Image als "soziale Partei" wieder zurückzugewinnen.

Geklärt ist das Streitthema bis jetzt nicht. Kurz hat seine Ministerinnen Juliane Bogner-Strauß, Margarete Schramböck (beide ÖVP) und Beate Hartinger-Klein (FPÖ) beauftragt, einen Kompromiss auszuarbeiten. Zusatzauftrag: Die Interessen der Wirtschaft sollen berücksichtigt werden.

Den Frieden nicht gefährden

Es läuft also darauf hinaus, dass Hartinger-Klein ihren Wunsch erfüllt bekommt. Die ÖVP habe kein Interesse, dass der Koalitionspartner als sozial kalt wahrgenommen wird und in Umfragen unter die 20-Prozent-Marke fällt, sagt ein Türkiser. Denn: "Bricht in der FPÖ Panik aus, gefährdet das den Koalitionsfrieden."

Der FPÖ ist das durchaus bewusst. Strache lasse seinen Ministern deshalb einen gewissen Spielraum – auch abseits der vielzitierten Message-Control. "Kurz erteilt Befehle, Strache Aufträge", beschreibt ein Blauer die aus seiner Sicht unterschiedlichen Führungsstile. Gewisse Irritationen in der täglichen Arbeit werden vom Vizekanzler daher in Kauf genommen. Er sei der Meinung, dass diese Profilschärfung seiner Minister letztlich auch der Partei nützt, sagt ein freiheitlicher Stratege.

Gehen solche Versuche in die Hose, zieht Strache aber auch rasch die Reißleine. Das durfte Finanzstaatssekretär Hubert Fuchs erfahren, der laut über eine Senkung des Spitzensteuersatzes von 55 Prozent für Einkommen über einer Million nachdachte. Das sei eine "Einzelmeinung", stellte Strache rasch klar.

Beim Spitzensteuersatz sind er und Kurz sich also einig. Ansonsten ist die Steuerreform aber ein weiteres Beispiel dafür, wo seit Wochen um Details gerungen wird. Die ÖVP steht massiv unter Druck der Industrie, um die Senkung der Körperschaftsteuer möglichst vor 2022 durchzuführen. Die Freiheitlichen können das deutlich gelassener sehen. Aber auch hier gilt wie immer: Die Streitfragen werden intern diskutiert. Am Ende werden Kurz und Strache gemeinsam mit einem Kompromiss vor die Presse treten.

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"Das tut gut", berichtete Strache nach seinem Papamonat im Jänner – und forderte die Möglichkeit auf Frühkarenz für alle Väter. Bereits zuvor hatte die blaue Sozialministerin eine rasche Umsetzung für Angestellte in der Privatwirtschaft versprochen und behauptet, mit dem Koalitionspartner sei das akkordiert. Derzeit haben nur Beamte einen Rechtsanspruch auf die unbezahlte Freistellung. Wenig überraschend ist die Wirtschaftskammer aber gar nicht erfreut. Auch die ÖVP ließ rasch ausrichten, dass man darüber noch reden müsse. Eine Einigung? Ausständig.

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Gleich zwei Tage haben sich ÖVP und FPÖ im Jänner zu einer Klausur zurückgezogen, um sich der nächsten Steuerreform zu widmen. Klar waren am Ende nur einige wenige Eckpunkte. In drei Etappen sollen die Steuern um 4,5 Milliarden gesenkt werden. Der neue Tarif blieb ebenso offen wie die Senkung der Körperschaftsteuer für Unternehmen. Für Unsicherheit sorgt nun die schlechter werdende Konjunktur bzw. der Brexit. Nicht zuletzt wegen der Mehrkosten für die Wirtschaft durch den halben Feiertag am Karfreitag werden auch wieder Überlegungen nach einer zusätzlichen Lohnnebenkostensenkung gewälzt. Geklärt ist das aber alles nicht.

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Eigentlich hätte die neue Mindestsicherung bereits im Juni 2018 vorgelegt werden sollen. Ein halbes Jahr lang konnten sich ÖVP und FPÖ aber nicht auf die Details einigen. Strittig war vor allem die Frage des Zugriffs auf Vermögen von Beziehern, Sozialministerin Hartinger-Klein konnte sich letztlich mit der Forderung nach einer Lockerung durchsetzen. Jetzt wird gerade am finalen Gesetzestext gefeilt. Aufgeschoben – auf Ende 2019 – wurde hingegen die Reform der Notstandshilfe. Knackpunkt ist auch hier, bei welchen Beziehern es wann einen Vermögenszugriff geben soll – vor allem für die Blauen ist das ein heikles Thema.

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Josef Moser ist das Feindbild vieler Freiheitlicher. Die FPÖ hatte ihn zum Rechnungshofpräsidenten gemacht, zum Justizminister stieg er dann aber für die ÖVP auf. Immer wieder sticheln blaue Funktionäre in Richtung Moser. Einen offenen inhaltlichen Streit trug Herbert Kickl kürzlich mit ihm aus. Der FPÖ-Innenminister will die Rechtsberatung für Asylwerber verstaatlichen und in seinem Ressort ansiedeln – und das am liebsten sofort. Derzeit kümmern sich NGOs darum. Moser legte sich aber quer. Schließlich mussten die Regierungskoordinatoren die Wogen glätten: Die im Koalitionsabkommen vereinbarte Neuaufstellung der Rechtsberatung werde bis März vorbereitet.

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Im Sommer 2018 machte Verteidigungsminister Mario Kunasek (FPÖ) noch Druck. Man brauche eine Entscheidung bis Jahresende, ob man die Eurofighter nachrüste oder neue Flieger beschaffe. Denn: "Es ist klar, dass solche großen Vorhaben auch Vorlaufzeit brauchen." Mangels Konsens verordnete Kanzler Sebastian Kurz im Dezember aber eine Vertagung. Nun möchte man erst einmal den dritten U-Ausschuss und laufende Strafverfahren abwarten. Kunasek fügte sich, wies aber sein Haus an, die Auswirkungen der Verzögerung zu bewerten. In der Sache soll die ÖVP für das Festhalten am Eurofighter, die FPÖ für einen Umstieg auf Saab Gripen sein.

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Still und heimlich von der Agenda genommen wurden im Sommer die im Koalitionspakt verankerten Einsparungen bei Arbeiterkammer und Wirtschaftskammer. Sollte es keine konkreten Sparvorschläge der Kammern bis Ende Juni 2018 geben, werde Türkis-Blau zu gesetzlichen Maßnahmen greifen, hieß es dort. Vorgelegt wurde nichts, passiert ist dann aber auch nichts. Dafür soll auch die in der ÖVP bestens vernetzte WKO unter Präsident Harald Mahrer verantwortlich sein, der gerade erst damit beschäftigt ist, alte Sparmaßnahmen umzusetzen. Nach der AK-Wahl dürfte das Thema aber wieder aktuell werden – vor allem die FPÖ drängt darauf. (Günther Oswald, Katharina Mittelstaedt, 25.2.2019)