Mit der Ausarbeitung der Pläne wurden von Kanzler und Vizekanzler Justizminister Josef Moser (li.) und Innenminister Herbert Kickl beauftragt.

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Wien – Die Bundesregierung schlägt eine Sicherungshaft für gefährliche Asylwerber mit richterlicher Genehmigung vor. Diese soll auch im Einklang mit österreichischen Gesetzen, der Menschenrechtskonvention sowie dem Europarecht sein, kündigte Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) am Mittwoch nach dem Sicherheitsgipfel und dem Ministerrat an. Noch heute soll die Opposition zu Gesprächen eingeladen werden.

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Das türkis-blaue Modell sieht vor, dass die Festnahme über eine Anordnung des Bundesamtes für Asyl und Fremdenwesen erfolgt. Danach muss innerhalb von 48 Stunden eine Erstbeurteilung über die Rechtmäßigkeit durch einen Richter des Bundesverwaltungsgerichtes erfolgen. Justizminister Josef Moser (ÖVP) sagte im Pressefoyer, man sei bei den Vorschlägen "sehr vorsichtig vorgangen".

Nach zwei Wochen endgültige Einschätzung

Moser war es im Foyer ein großes Anliegen, die Bedenken gegen die angedachten Pläne zu zerstreuen. Neben der Überprüfung durch einen Richter innerhalb von 48 Stunden verwies er auch auf die geplante Vorgabe, wonach binnen zweier Wochen eine endgültige Einschätzung über die Rechtmäßigkeit sowie über eine allfällige Fortführung der Haft zu erfolgen hat.

Auch soll dabei überprüft werden, ob nicht gelindere Mittel ausreichen, oder es komplementärer Maßnahmen wie etwa einer Deradikalisierung bedürfe. Moser zog einen Vergleich zum Unterbringungsgesetz: dieses sehe vier Tage vor, innerhalb derer eine richterliche Prüfung erforderlich ist.

In Ausnahmefällen länger als sechs Monate

"Wir sind da sehr, sehr vorsichtig vorgegangen, haben einen Kontrollmechanismus vorgeschaltet, der die Rechtmäßigkeit überprüft", betonte der Justizminister. Jedes Monat sei eine weitere amtswegige Überprüfung vorgesehen. Laut den Plänen soll die Sicherungshaft maximal sechs Monate dauern, eine längere Dauer ist laut einem nach dem Ministerrat an die Journalisten verteilten Positionspapier "nur bei besonderen Gründen" vorgesehen.

Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) zeigte sich hocherfreut: "Es ist ein guter Tag für die Sicherheit der österreichischen Bevölkerung. Es ist ein weniger guter Tag für diejenigen, die vielleicht als tickende Zeitbomben ein Schutzsystem (...) ausnutzen möchten, um ihre kriminellen Energien sozusagen ungehemmt ausleben zu können", sagte er.

Unklare Kriterien

Etwas vage blieben die Angaben, unter welchen konkreten Kriterien Asylwerber in Sicherungshaft genommen werden können. Kickl stellte klar, dass es hier nicht um strafrechtlich relevante Dinge gehen könne, denn diese würden ja vom Strafgesetzbuch abgedeckt, und würden somit Untersuchungshaft ermöglichen. "Wenn jemand sagt, er will allen Ungläubigen die Köpfe abschneiden, dann reicht das für U-Haft nicht aus" – diese Drohung sei zu unkonkret und nicht gegen eine bestimmte Person gerichtet. Daher brauche es die Sicherungshaft. "Unter dem Motto: Sicherungshaft für Gefährder statt Sicherheit vor Haft für Gefährder".

FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache nannte als Beispiel einen Asylwerber, der in der Vergangenheit wegen mehrerer Straftaten verurteilt wurde, nach einer Ausweisung trotz Einreiseverbot wieder nach Österreich kommt. "Und dann bedroht er vielleicht noch jemanden, da greift das Strafrecht nicht", und für solche Fälle sei das neue Instrument gedacht, wie er mit Anspielung auf den Anlassfall – die durch einen Asylwerber in Dornbirn verübte tödliche Messerattacke – meinte. Kickl betonte, dass es sich in diesem Fall um kein Behördenversagen gehandelt habe: "Die Analyse hat gezeigt, dass die U-Haft und die Schubhaft hier nicht greift."

"Ausführungsgefahr" muss vorliegen

Fix ist laut dem Vorschlag, dass für die Verhängung einer Sicherungshaft eine "tatsächliche gegenwärtige und hinreichende erhebliche Gefahr" für die öffentliche Ordnung oder den Schutz der nationalen Sicherheit vorliegen muss, worauf auch Moser hinwies: "Ich brauche auf jeden Fall eine Ausführungsgefahr."

Auch müsse es eine Einzelfallprüfung geben und die Verhängung soll nur für den "kürzest erforderlichen Zeitraum" erfolgen dürfen. Auch müsse die Maßnahme verhältnismäßig sein und dürfe nur verhängt werden, wenn nicht gelindere Mittel wie etwa eine "Gefährderansprache" ausreichen.

Opposition soll überzeugt werden

Die Regierung will nun die Opposition überzeugen, den Plan zu unterstützen. "Wir sprechen von einem Modell, das ähnlich der Schubhaft ist", sagte Kurz. Bei der SPÖ habe es ja Ideen gegeben, "das für alle zu schaffen", meinte er mit Blick auf Aussagen von Burgenlands Landeshauptmann Hans Peter Doskozil oder Wiens Bürgermeister Michael Ludwig. Dies sei aber "menschenrechtswidrig" und "viel weitreichender als das, was wir angedacht haben".

Der Kanzler betonte, dass ähnliche Instrumente bereits in anderen EU-Staaten in Kraft seien: "Das was wir hier vorlegen, gibt es in 15 EU Staaten. Das sollte Ihnen auch zeigen, dass es etwas ist, das nicht nur mit EU-Recht in Einklang ist, sondern in vielen Staaten der EU üblich ist."

Der Kanzler wie auch seine Regierungskollegen untermauerten, dass der Vorschlag mit der Menschenrechtskonvention wie auch mit EU-Recht im Einklang stehe. Vorwürfe der Opposition, wonach die Pläne einen Anschlag auf die Menschenrechte und die Rechtsstaatlichkeit darstellen würden, wies Kickl scharf zurück: "Es ist genau das Gegenteil, eine Verteidigung der Rechtsstaatlichkeit und eine Verteidigung der Menschenrechte."

Opposition zurückhaltend

Da eine Verfassungsänderung notwendig wäre, ist die Regierung bei diesem Thema auf SPÖ oder Neos angewiesen (mit der Liste Jetzt ergibt sich keine Zweitdrittelmehrheit). Rot und Pink, die bisher keine Notwendigkeit für eine Sicherungshaft gesehen haben, reagierten auch am Mittwoch zurückhaltend.

Zuerst müsse der Anlassfall in Dornbirn "lückenlos aufgeklärt werden", bekräftigte SPÖ-Bundesgeschäftsführer Thomas Drozda. "Es besteht der Verdacht des Behördenversagens, deshalb müssen alle Fakten auf den Tisch. Ohne eine vollständige Aufklärung der Umstände und einer umfassenden Prüfung der bereits bestehenden rechtlichen Rahmenbedingungen macht es keinen Sinn über mögliche Konsequenzen und einen etwaigen Änderungsbedarf zu sprechen. Die Regierung will ein Anlassgesetz machen, ohne den Anlass vorher aufzuklären", kritisierte Drozda.

"Alle parlamentarischen Möglichkeiten ausschöpfen"

Der Schutz der Bevölkerung sei ein zentrales Anliegen. Die Regierung dürfe diesen Schutz nicht aufs Spiel setzen. "Deshalb wollen wir alle parlamentarischen Möglichkeiten ausschöpfen", brachte Drozda die Möglichkeit eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses vor.

"Eine umfassende und lückenlose Aufklärung ist für uns die Voraussetzung für weitere Gespräche. Fakt ist, dass wir eine generelle Präventivhaft und jede Maßnahme, die nicht den europäischen Menschenrechtsstandards entspricht, ablehnen", so der SPÖ-Bundesgeschäftsführer.

Neos wollen zuerst Entwurf sehen

Neos-Chef Beate Meinl-Reisinger kritisierte, dass noch immer nichts Konkretes vorliege. "Wir reden aber erst, wenn wir einen konkreten Gesetzesentwurf vorliegen haben. Einmal mehr mündliche Ankündigungen sind uns jetzt zu wenig", so Meinl-Reisinger, die der ÖVP vorwarf, der FPÖ nachgegeben zu haben. Die massiven Bedenken des Justizministers Josef Moser (ÖVP) bezüglich möglich gelinderer Mittel, wie dem "Fast-Track-Verfahren" oder aber auch der Notwendigkeit einer richterlichen Genehmigung, "wurden offensichtlich vom Tisch gewischt". (APA, red, 6.3.2019)