Für den mächtigen Klüngel an der Spitze Algeriens, der vorhatte, sich noch ein paar Jahre hinter der Legitimität von Abdelaziz Bouteflika zu verstecken, wird es eng. Zu viele Algerier und Algerierinnen weigern sich, eine weitere Amtszeit eines wegen Krankheit arbeitsunfähigen Langzeitpräsidenten zu akzeptieren. Bouteflika, despektierlich Boutef genannt, dient als Fassade für ein opakes System, das von Unsichtbaren – seinem Clan, Militärs, Geschäftsleuten – regiert wird. Aber diese Fassade bröckelt.

Seit dem verheerenden Bürgerkrieg der 1990er-Jahre mit bis zu 150.000 Toten ist das höchste Gut in Algerien die Stabilität. Diese algerische Verfasstheit hat dazu beigetragen, dass Bouteflika 2014 zum vierten Mal gewählt wurde, obwohl schon damals viele Menschen den Kopf über die Kandidatur schüttelten. Aber das war nur drei Jahre nachdem der sogenannte Arabische Frühling einige arabische Staaten – auch den Nachbarn Libyen – ins Chaos gestürzt hatte. 2019 funktioniert das nicht mehr, der Unmut ist größer als die Angst vor Unruhe.

Die Männer hinter Bouteflika haben nun ein kleines Zeitfenster, ihre geliebte Stabilität zu retten. Die für den 18. April geplanten Wahlen müssen verschoben und ganz neu aufgesetzt werden. Dabei sollten auch die anderen politischen Kräfte mitmachen – und nicht zuletzt die Demons trantinnen und Demonstranten, die noch ein paar Wochen länger auf das Ende der Ära Bouteflika warten müssten. (Gudrun Harrer, 10.3.2019)