Menschen aus den 190 Wohnungen in dem Komplex Simmeringer Hauptstraße 68–74 mussten über das verrauchte Stiegenhaus fliehen, viele hatten nur Handy und Geldtasche bei sich.

Foto: APA/MA 68 LICHTBILDSTELLE

180 Einsatzkräfte und 40 Feuerwehrfahrzeuge waren im Einsatz. Einige Hausbewohner konnten seit der Löschung des Brandes in Begleitung von Feuerwehr oder Polizei kurzzeitig in einige Wohnungen zurückkehren, um wichtige Dinge zu holen. Vorerst war aber nur ein Teil des Gebäudes für solche Unternehmungen sicher genug.

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Wien – 370 Menschen können nach einem Großbrand in einer Wohnhausanlage in Wien-Simmering vorläufig nicht in ihre Wohnungen zurück. Am Montag wurden weitere umfangreiche Sicherungsmaßnahmen in Angriff genommen, damit die Bewohner nach und nach wenigstens ihre wichtigsten Habseligkeiten holen können. Was die Feuerkatastrophe ausgelöst hat, ist noch unklar: Die Ermittlungen haben gerade erst begonnen.

Bis zu einem Jahr in Übergangsunterkünften

Jenen Betroffenen, die nach dem Großbrand nicht mehr in ihrer Wohnungen können, stellt Wien Notquartiere zur Verfügung. Wie Walter Hillerer, Leiter der Gruppe Sofortmaßnahmen, erläuterte, sind die entsprechenden Unterstützungsmaßnahmen voll angelaufen. Einige Menschen werden wohl bis zu einem Jahr in einer Übergangsunterkunft bleiben müssen.

Es handle sich dabei um jene Personen, die im Dachgeschoß des Mehrparteienwohnhauses gelebt haben. Dieser Teil des Gebäudes wurde völlig zerstört. Ihnen werden in Kooperation mit der Gemeindebauverwaltung Wiener Wohnen sogenannte Prekariumswohnungen zur Verfügung gestellt – also Objekte mit einem vorübergehenden Mietverhältnis.

Fast 400 Betroffene

Weitere Betroffene wurden in benachbarte Hotels, Pensionen oder auch in ein städtisches Notquartier gebracht, das für solche Fälle bereitgehalten wird. Den Betrieb dort könne man sehr rasch hochfahren, wurde betont. Bis zu 200 Leute können laut Hillerer in dem ansonsten leerstehenden Gebäude aufgenommen werden. Für Familien gibt es zudem eigene Notfallapartements.

Betroffen sind laut Stadt bis zu 370 Leute. Manche Wohnungen seien vom Brand möglicherweise nicht unmittelbar in Mitleidenschaft gezogen worden – aber angesichts der Situation dort trotzdem derzeit nicht bewohnbar, hieß es. So gebe es derzeit etwa keinen Strom im Haus. Auch finden jetzt Sicherungsarbeiten statt, dadurch bestehe etwa die Gefahr herunterstürzender Trümmer.

Am Ort des Geschehens am Enkplatz hat das Büro für Sofortmaßnahmen auch eine mobile Büroeinheit aufgestellt, die als Anlaufstelle für Mieter dient. Laut Hillerer findet am Montag dort auch eine Informationsveranstaltung für Betroffene statt.

Ermittlungen laufen

Das Feuer dürfte bei der Stiege 4 in einem der oberen Bereiche des mehrstöckigen Gebäudes – Erdgeschoß, erster bis vierter Stock und Dachgeschoß – in der Simmeringer Hauptstraße, Ecke Enkplatz, ausgebrochen sein. Das aus zehn Stiegen bestehende ältere Haus war erst vor einigen Jahren rundum saniert worden.

Die zentrale Brandermittlungsgruppe des Landeskriminalamts arbeitet seit Montag ihre Checkliste ab, von der Sichtung des potenziellen Tatorts und der Prüfung, ob womöglich eine Vorsatztat vorliegen könnte, über die Spurensicherung bis zur Begutachtung baulicher Maßnahmen, die eine Rolle für die Brandentstehung gespielt haben könnten. Zum Zeitpunkt des Brandausbruchs sei nach ersten Erkenntnissen jedenfalls keine größere Baustelle in dem Gebäude eingerichtet gewesen, sagte Polizeisprecher Harald Sörös. "Ob es in einer Wohnung Bauarbeiten gab, ist derzeit nicht bekannt."

Seit dem Brand aus in der Nacht auf Sonntag, knapp zwölf Stunden nach der Alarmierung der Feuerwehr am Samstagvormittag, lag der Schwerpunkt auf der Sicherung des Gebäudes, dessen Dach großteils in Flammen aufgegangen und teilweise eingestürzt war. Zahlreiche Arbeiter einer Brandsanierungsfirma bauten rundherum ein Stützgerüst auf, weitere einsturzgefährdete Teile des Daches mussten gesichert oder entfernt werden.

Caritas startet Hilfsaktion

"Einige Hausbewohner konnten seither in Begleitung von Feuerwehr oder Polizei kurzzeitig in einige Wohnungen zurück, in denen ein sicherer Zustand für das Betreten hergestellt werden konnte", berichtete Feuerwehrsprecher Lukas Schauer. Sie durften Wichtiges wie Ausweise, Medikamente und Geld holen. Weiteren Betroffenen soll dies am Montag und in den nächsten Tagen laufend ermöglicht werden. Vorerst war aber nur ein Teil des Gebäudes für solche Unternehmungen sicher genug.

Die Menschen aus den 190 Wohnungen in dem Komplex Simmeringer Hauptstraße 68–74 mussten über das verrauchte Stiegenhaus fliehen, viele hatten nur Handy und Geldtasche bei sich. Die meisten haben ihr gesamtes Hab und Gut verloren. Die Caritas startete mit dem Verein Leiwandes Simmering eine Hilfsaktion. "Wer die Bilder der Brandkatastrophe gesehen und wer die Verzweiflung der Menschen gehört hat, weiß: Wir müssen hier rasch helfen", sagte Klaus Schwertner, Geschäftsführer der Caritas der Erzdiözese Wien, die zudem 10.000 Euro aus ihrem Inlandskatastrophenfonds zur Verfügung stellt.

Hilfe setzt ein

"Wir haben darüber hinaus ein Krisenteam eingerichtet, das rasch prüfen soll, welche besonders tragischen Schicksale auch über einen längeren Zeitraum Hilfe benötigen werden – mit Beratung, mit Möbeln, mit finanzieller Hilfe", sagte Schwertner. "Unser Verein ist nicht nur in guten Zeiten da. Gerade jetzt brauchen uns diese Menschen, und wir wollen ihnen zur Seite stehen", sagte Katharina Krammer, Obfrau des Vereins Leiwandes Simmering.

Wie lange die Sicherungsmaßnahmen dauern werden, ließ sich vorerst nicht abschätzen. Diese Arbeiten seien sehr aufwendig, der Verlauf auch von Umständen wie Wind und Regen abhängig, sagte Feuerwehrsprecher Schauer. Zeit- und personalintensiv sind für die Feuerwehr auch die Kontrollen der Wohnungen unmittelbar nach Einsatzbeginn gewesen: Für alle 190 Einheiten musste sichergestellt werden, dass die Bewohner in Sicherheit waren. Bei ihrem Eintreffen hatten die Einsatzkräfte "bereits einen ausgedehnten Brandherd" vorgefunden, schilderte Schauer. Anders als bei einem vorangegangenen Großbrand heuer in Wien, dem Feuer im Donauzentrum, das vor dem Aufsperren der Geschäfte ausgebrochen war, hatten sich am Samstagvormittag viele Bewohner im Gebäude befunden. (APA, 13.5.2019)